Gaddafis Zentrale unter Beschuss
Gegen Gaddafi in Libyen fliegt die Koalition weiter Angriffe. Der Aufenthaltsort des Diktators ist unbekannt. Angeblich wurde einer seiner Söhne bei dem Angriff auf die Festung getötet
Die Einschläge rücken immer näher an Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi heran. In der Nacht zum Montag schlug ein Marschflugkörper in seine mutmaßliche Kommandozentrale in der libyschen Hauptstadt Tripolis ein. Das dreistöckige Gebäude in der gigantischen Militärfestung Bab al-Asisija, in der Gaddafi auch seine Hauptresidenz hat, wurde zerstört. Wo sich Gaddafi zum Zeitpunkt des Angriffes aufhielt, ist nicht bekannt. Seit Beginn des Luftkrieges am Samstagabend ist er nicht mehr öffentlich aufgetreten.
Regime-Anhänger sind da, wenn die Kameras kommen
„Eine barbarische Bombardierung“, zürnt Mussa Ibrahim, Sprecher des libyschen Regimes. Noch in der Dunkelheit der Nacht karrt er Reporter zur Bombenruine in dem Militärkomplex, wo ein paar hundert Regime-Anhänger warten. Wie üblich, wenn Kameras auftauchen, schwenken sie Gaddafi-Plakate und intonieren Jubelgesänge über den Revolutionsführer. Tote habe es bei diesem Angriff nicht gegeben, sagt Ibrahim. Es sei nur ein Verwaltungsgebäude gewesen. Ob Gaddafi in der Angriffsnacht in der Nähe war, verrät Ibrahim nicht.
Vor 25 Jahren, am 15. April 1986, hatten US-Bomber schon einmal Bab al-Asisija angegriffen und Gaddafis Residenz zerstört. Als Antwort auf einen libyschen Terroranschlag in der Berliner Diskothek La Belle, wo am 5. April 1986 drei Menschen getötet und 230 verletzt worden waren. Die Ruine der damals zerstörten Residenz, die Gaddafi später als „antiimperialistisches Mahnmal“ glorifizierte, diente ihm in den letzten Wochen öfter als Kulisse für seine Hassreden gegen das aufständische Volk und gegen den Westen.
Am Montag flog die von den USA, Großbritannien und Frankreich angeführte westlich-arabische Koalition weitere Luftangriffe auf militärische Ziele in Libyen. Die Attacken stützen sich auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, der die Mitgliedstaaten autorisiert hatte, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Zivilisten und von Zivilisten bewohnte Gebiete in Libyen zu schützen. London, Paris und Washington bezeichneten die jüngsten Angriffe auf Ziele in Libyen als „erfolgreich“.
US-Admiral William E. Gortney warnte, dass auch Gaddafis Bodentruppen weiter attackiert würden. „Wenn sie auf die Pro-Demokratie-Kräfte zumarschieren, dann werden wir sie angreifen.“ Gaddafi selbst stehe nicht „auf der Zielliste“, versicherte Gortney nach dem Angriff auf den Machtbunker in Tripolis.
Die Bombardierung des Gaddafi-Komplexes darf jedoch durchaus als Botschaft interpretiert werden, dass auch der Diktator persönlich als Bedrohung für die Zivilbevölkerung angesehen werden könnte.
Die britische Regierung sieht das offenbar auch so: Außenminister William Hague schloss einen direkten Angriff auf Gaddafi nicht aus: „Das hängt von den Umständen ab.“ Verteidigungsminister Liam Fox sagte, ein Angriff auf Gaddafi sei „eine Möglichkeit“.
US-Präsident Barack Obama hat gestern seine Forderung nach einem Machtwechsel in Libyen bekräftigt. „Gaddafi muss gehen“, sagte er bei einem Besuch in Chiles Hauptstadt Santiago. Zudem sagte Obama, er gehe davon aus, dass europäische und arabische Länder in Kürze das Kommando übernehmen würden.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wird am Donnerstag zu einer weiteren Sondersitzung wegen der Luftangriffe auf Libyen zusammentreten. Das beschloss das Gremium gestern in New York. Dann soll Generalsekretär Ban Ki Moon die Mitgliedstaaten über die Situation in Libyen informieren.
Unterdessen gingen am Montag die Attacken der Gaddafi-Truppen auf mehrere Städte im Großraum Tripolis weiter. In Misurata, 200 Kilometer östlich der Hauptstadt, sollen Gaddafis Einheiten Hunderte Bewohner als Geiseln genommen haben, um sie als menschliche Schutzschilde zu benutzen. Deswegen seien Luftangriffe schwierig, hieß es. Misurata ist mit über 500 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Libyens. Großbritannien hatte einen Luftangriff mit Rücksicht auf die Zivilbevölkerung abgebrochen. Ein Tornado-Einsatz sei gestoppt worden, weil sich an dem angepeilten Ziel Zivilisten aufgehalten hätten, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. (mit dpa)
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