Parteiausschlussverfahren gegen Palmer für Grüne derzeit kein Thema
Die Grünen wollen Boris Palmer loswerden. Doch der Tübinger Oberbürgermeister denkt nicht daran, die Partei freiwillig zu verlassen. Eskaliert der Konflikt?
Die Grünen haben ihrem umstrittenen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer einen deutlich Warnschuss gegeben - ein Parteiausschluss ist derzeit aber kein Thema. Der Vorstand der Südwest-Grünen forderte Palmer am Freitagabend zum Parteiaustritt auf. "Der Landesvorstand erwartet, dass Boris Palmer unsere Partei verlässt." Palmer will aber nach eigenen Angaben bei den Grünen bleiben. Die Bundespartei strebt derzeit kein Ausschlussverfahren an.
"Die kursorische Prüfung hat gezeigt, wie schwer die Erfolgsaussichten einzuschätzen sind", sagte eine Parteisprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Samstag in Berlin. "Wir legen deswegen unser gemeinsames Augenmerk auf die politischen Maßnahmen." Der Bundesvorstand habe Anfang der Woche deutlich gemacht, dass er Palmer politisch nicht mehr unterstützen werde. Der Landesvorstand Baden-Württemberg habe nun Gleiches getan. "Damit wissen jetzt alle, dass Boris Palmer nur für sich spricht, nicht für die Grünen."
Boris Palmer hatte mehrfach für Empörung gesorgt
Palmer hatte mehrfach mit provokativen Äußerungen für Empörung gesorgt, zuletzt mit einem Satz zum Umgang mit Corona-Patienten. "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären", sagte er in einem Interview. Er erklärte seine Aussage mit der Sorge um armutsbedrohte Kinder vor allem in Entwicklungsländern, deren Leben durch die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns bedroht sei. Palmer räumte aber ein, dass sein Satz ohne den Kontext und wegen seiner scharfen Formulierung Anlass zum Missverständnis gegeben habe. Er habe nicht davon gesprochen, alte und kranke Menschen aufzugeben. "Ich erwarte selbstverständlich, dass jeder Mensch die bestmögliche medizinische Versorgung erhält."
Palmer forderte die Grünen zu einer öffentlichen, argumentativen Auseinandersetzung mit ihm auf. Er werde verurteilt für etwas, was er nicht gesagt habe. Die Grünen beteiligten sich daran, die Demokratie zu einer "Empörungsarena" umzugestalten, meinte er. Auf Facebook schrieb er am Samstag: "Ich bin seit 1995 Mitglied der Grünen und seit 14 Jahren Oberbürgermeister. Die Frage, ob ich die grünen Grundwerte vertrete, kann man auch anhand meiner Taten beurteilen."
Grüne wolllen eine erneute Kandidatur Palmers nicht unterstützen
Die baden-württembergischen Grünen behalten sich nach eigenen Angaben ein Ordnungsverfahren gegen Palmer vor. Die Satzung der Landespartei listet mögliche Ordnungsmaßnahmen gegen Parteimitglieder auf: Verwarnungen, Aberkennung der Leitungsfunktion, zeitweiliges Ruhen der Mitgliedsrechte bis zu zwei Jahren, Ausschluss aus der Partei.
In einem vor der Entscheidung des Landesverbandes geführten Interview mit dem Spiegel sagte die Bundeschefin Annalena Baerbock über Palmer: "Wir sind ein freies Land, da kann jeder sagen, was er will. Aber wir haben die Freiheit, deutlich zu machen, dass wir eine weitere Kandidatur und seinen Wahlkampf nicht unterstützen werden." (dpa)
Lesen Sie dazu auch:
- Warum Tübingens OB Palmer der grüne Sarrazin werden könnte
- Grüne strafen Tübingens OB Palmer ab
- Empörung über Aussagen zu Corona-Patienten: Palmer entschuldigt sich
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.