Die FDP kommt nicht zur Ruhe
Guido Westerwelle ist abgetreten. Damit ist die Führungsdebatte in der FDP aber nicht beendet. Nun muss Fraktionschefin Birgit Homburger um ihr Amt kämpfen.
Birgit Homburger ist sich ihrer Sache sicher. Als Guido Westerwelle am Dienstagnachmittag in die Runde fragt, ob es etwas auszusetzen gebe an der Arbeit der Fraktionsvorsitzenden, bleibt es überraschend still im Saal. Keiner der 93 Bundestagsabgeordneten will etwas sagen, kein Mitglied des Bundesvorstandes, selbst der notorische Nörgler Wolfgang Kubicki schweigt, ihr schärfster innerparteilicher Kritiker. „Da kam keine Wortmeldung“, erinnert sich die 45-Jährige – und interpretiert das als denkbar größten Vertrauensbeweis. Einstimmig, sagt sie, hätten Vorstand und Fraktion sich für sie ausgesprochen.
In Wirklichkeit hat der scheidende Vorsitzende seine Parteifreunde gar nicht abstimmen lassen, aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Die Liberalen haben sich entschieden, aus der verfahrenen Situation das Beste zu machen und die alten Konflikte ruhen zu lassen, vorübergehend zumindest. „Wir wollen jetzt gemeinsam nach vorne sehen“, beteuert die Fraktionschefin. Mit Gesundheitsminister Philipp Rösler habe die FDP einen ebenso charmanten wie überzeugenden Kandidaten für die Nachfolge von Guido Westerwelle gefunden, nun zähle nur noch eines: „Solide, seriöse Arbeit.“ Oder, anders ausgedrückt: Bloß keine Personaldebatten mehr.
Natürlich weiß Birgit Homburger, dass es knapp war für sie und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, und dass in den Orts- und Kreisverbänden nicht nur über Westerwelle, sondern auch über sie geschimpft wird, über ihre begrenzten rhetorischen Fähigkeiten, ihre fehlende Strahlkraft und ihre gelegentlich etwas zu fordernde Art. „Das aber“, sagt der Bundestagsabgeordnete Horst Meierhofer, „wussten wir alles vorher schon.“ An ihrer eigentlichen Arbeit als Fraktionschefin gebe es jedenfalls nichts zu meckern, und an der des Wirtschaftsministers erst recht nicht. Mit dem ist der Umweltexperte Meierhofer zwar nicht immer einer Meinung und beim Atomausstieg schon zweimal nicht. Bis zu seinem Fauxpas beim Bundesverband der deutschen Industrie aber sei es vor allem Brüderle gewesen, „der uns nach außen gut vertreten hat“.
Wie fest die Fraktionsvorsitzende im Sattel sitzt, wird sich an zwei Indikatoren ablesen lassen: Kann sie ihr Amt als baden-württembergische FDP-Chefin verteidigen? Und, vor allem: Mit welchem Ergebnis wird sie, sofern sie überhaupt antritt, Mitte Mai in Rostock wieder ins Präsidium der Bundespartei gewählt? Ein demonstratives Misstrauensvotum der Delegierten dort, fürchtet ein einflussreicher Liberaler, könnte die Diskussion über einen Wechsel an der Fraktionsspitze rasch wieder aufflammen lassen. Parteitage suchen sich bei Wahlen erfahrungsgemäß einen „Blitzableiter“, der den Groll der Basis über die Parteioberen zu spüren bekommt. Und der Groll über die resolute Fraktionsfrau sitzt bei vielen Liberalen noch tief. Der bayerische Landtagsabgeordnete Franz Xaver Kirschner, zum Beispiel, wäre gerne gleich beide los, Brüderle und Homburger: „Ich schicke ein Pfund Lösungsmittel nach Berlin, damit sie von den Sitzen wegkommen.“
Birgit Homburger selbst hat bisher lediglich angekündigt, sich im Herbst als Fraktionschefin erneut zur Wahl zu stellen. „Ich weiß genau, was ich mache“, sagt sie. Umgekehrt allerdings hat Rösler bereits angedeutet, dass dem Wechsel an der Parteispitze noch eine weitere personelle Erneuerung folgen soll. Und dabei, prophezeit ein FDP-Vorständler, wird auch das Amt der Fraktionsvorsitzenden zur Disposition stehen. „Nur gesagt hat es ihr bisher noch niemand.“
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