Russischer Reformpolitiker Gaidar tot
Moskau (dpa) - Der liberale russische Reformpolitiker und angesehene Wirtschaftsexperte Jegor Gaidar ist im Alter von 53 Jahren überraschend gestorben. Unter dem früheren Präsidenten Boris Jelzin war Gaidar 1992 kurze Zeit kommissarischer Regierungschef.
Er habe noch in der Nacht zu Mittwoch in seinem Landhaus an einem neuen Buch gearbeitet, meldete die Agentur Interfax. Die Todursache werde noch untersucht. Zuerst war von einem Blutgerinnsel die Rede gewesen.
Gaidar galt als Chefideologe der Marktreformen unter Jelzin und hatte den Übergang von der sowjetischen Plan- zur kapitalistischen Marktwirtschaft vorangetrieben. Er war in der russischen Regierung auch Vize-Regierungschef und Finanzminister, bis er 1994 als führender Kopf in die liberal-demokratische Opposition wechselte. "In einer Zeit fundamentaler Umbrüche übernahm er die Verantwortung für unbeliebte, aber notwendige Maßnahmen", sagte Kremlchef Dmitri Medwedew. Regierungschef Wladimir Putin nannte Gaidars Tod einen "herben Verlust für Russland, für uns alle".
Weggefährten würdigten Gaidars Rolle in der jüngeren Geschichte des Landes. Er habe Russland in den 1990ern vor Hungersnot und Zerfall gerettet, sagte der frühere russische Premier Anatoli Tschubais. Der ehemalige Vize-Regierungschef Boris Nemzow sagte, Gaidar habe damals einen Bürgerkrieg verhindert.
Der Tod des Regierungskritikers kam für die russische Opposition überraschend. Gaidar war 2006 im irischen Dublin während einer Buchvorstellung unter ungeklärten Umständen zusammengebrochen. Er selbst hatte danach laut russischen Medien über einen Giftanschlag gemutmaßt, allerdings fanden Ärzte keine Spuren. Der russische Menschenrechtler Lew Ponomarew sagte, Gaidar sei von der Gesellschaft unfair behandelt worden. "Die radikalen Finanzreformen waren notwendig."
Als Direktor eines Moskauer Wirtschaftsinstituts hatte sich der Experte bis zuletzt kritisch auch zur Politik des russischen Regierungschefs Wladimir Putin geäußert. Gaidar war der Enkel des Schriftstellers Arkadi Gaidar, dessen Buch "Timur und sein Trupp" über die Vorbildwirkung kommunistischer Jugend zur Pflichtlektüre in den Schulen der DDR gehört hatte.
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