Kommentar: Das Ende einer Geisterfahrt
Andrea Ypsilanti hat mit hohem Risiko hessisches Roulette gespielt - und verloren. Vier sozialdemokratische Abgeordnete sind der Frau in die Quere gekommen. Ein Kommentar von Walter Roller.
Von Walter Roller
Andrea Ypsilanti hat mit hohem Risiko hessisches Roulette gespielt - und verloren. Das mit missionarischem Eifer betriebene Experiment eines rot-grünen Bündnisses mit der Linkspartei Lafontaines ist gescheitert.
Vier sozialdemokratische Abgeordnete sind der Frau, die mit dem Kopf durch die Wand und partout Ministerpräsidentin werden wollte, in die Quere gekommen. Sie haben nicht aus dem Hinterhalt einer geheimen Landtagsabstimmung heraus operiert, sondern ihre Karten aufgedeckt. Das verdient Respekt.
Die Empörung, die diesen vieren nun entgegenschlägt, verrät ein seltsames Verständnis von der Freiheit eines Abgeordneten. Es mag sein, dass sie früher hätten Farbe bekennen sollen. Aber wo steht geschrieben, dass frei gewählte Abgeordnete Parteitagsbeschlüsse abnicken müssen?
Es gibt kein imperatives Mandat, und die Frage, ob die SPD sich einlassen soll auf eine Allianz mit zwielichtigen Ex-Kommunisten, lässt sich sehr wohl als Gewissensfrage definieren. Und warum sollen Abgeordnete gegen ihre innere Überzeugung dabei mithelfen, dass ein prosperierendes Land wie Hessen zum Versuchsfeld rot-rot-grüner Politik wird? Nein, verantwortlich für dieses Debakel ist Andrea Ypsilanti. Sie hat vor der Wahl jede Kooperation mit der Linken ausgeschlossen und anschließend ihr Wort gebrochen - zum Schaden der ganzen SPD. Und sie hat, nachdem der erste Anlauf an Frau Metzger gescheitert war, es noch mal probiert - trotz der unsicheren Mehrheit, trotz der Vorbehalte in der eigenen Partei, gegen den Willen einer großen Bevölkerungsmehrheit, unter Ausblendung der Realitäten. Das musste schiefgehen.
SPD-Chef Müntefering und Kanzlerkandidat Steinmeier dürften über diesen hessischen Schiffbruch nicht unglücklich sein. So peinlich die Blamage auch ist, so sehr der Verbleib Kochs im Amt schmerzt: Rot-Rot-Grün in Hessen hätte doch die Zweifel an der Standfestigkeit der Sozialdemokratie im Bund genährt. Insofern ist die SPD ein Problem los. Doch ist der schwere Fehler der SPD-Führung, Ypsilanti bei einer so weitreichenden Weichenstellung freie Hand zu lassen, nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Die Frage, wie es die SPD auf Dauer mit der Konkurrenz von linksaußen hält, ist nicht wirklich beantwortet und könnte schon bald im Saarland wieder aufs Tapet kommen. Starke SPD-Bataillone haben Ypsilantis Geisterfahrt ja befürwortet. Ja zu Koalitionen in Ländern, nein zu einer Allianz im Bund: Diese Strategie öffnet Spekulationen über Rot-Rot in Berlin auch künftig Tür und Tor.
In Hessen ist keine handlungsfähige Regierung in Sicht. Die Grünen wollen nicht mit Koch und der FDP, die FDP will nicht mit Rot-Grün. Die beste Lösung: Neuwahl.
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