Justiz und Wahlgesetz eingeschränkt: Zehntausende demonstrieren
In Ungarn haben am Montag Zehntausende gegen die umstrittene neue Verfassung und die rechtskonservative Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban protestiert.
In der Oper ein Festakt, vor der Oper Proteste: Viele Bürger Ungarns sind gegen die neue Verfassung, die zum 1. Januar in Kraft getreten ist. Nach Angaben der Veranstalter versammelten sich in der Hauptstadt Budapest rund 100.000 Menschen unter dem Motto "Es wird wieder eine Republik geben". In der zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Verfassung war die Bezeichnung "Republik" aus dem Staatsnamen gestrichen worden.
Statt "Republik Ungarn" heißt das Land nur noch "Ungarn"
In Sprechchören forderte die Menge den Rücktritt des rechts-konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Der ungarische Regierungschef nahm zur gleichen Zeit im Opernhaus mit seinem Kabinett und anderen staatlichen Würdenträgern an einem Festakt für das neue Grundgesetz teil, das am Neujahrstag in Kraft trat.
Kritiker sehen in der Verfassung, die von der Zweidrittelmehrheit der Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) im Parlament gebilligt wurde, ein Instrument zum Abbau der Demokratie in Ungarn. Mehrere Redner betonten bei der Demonstration, dass die Ungarn ihr Land weiterhin als Republik betrachten würden. Denn mit dem neuen Grundgesetz änderte sich auch der Landesname: Statt "Republik Ungarn" heißt das Land nunmehr einfach "Ungarn".
Demonstranten sprechen von "Orbáns Diktatur"
Zu der Kundgebung hatten mehrere Zivilorganisationen und Oppositionsparteien aufgerufen. Als Redner traten keine Parteienvertreter auf. Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Laszlo Majtenyi sagte in seiner Ansprache: "In der Oper ist heute die Heuchelei zu Gast. Auf der Straße herrscht die Tugend der Verfassungsmäßigkeit." Die Demonstranten trugen Schilder mit der Aufschrift "Genug" und "Orbáns Diktatur". Der sozialistische Abgeordnete Tibor Szanyi sagte vor der Demonstration, Orbán habe Ungarn "von einem verheißungsvollen Ort zu Europas dunkelstem Fleck" verwandelt.
Das neue Grundgesetz löst die Verfassung von 1989 ab, die die demokratischen Grundrechte sicherte und Ungarn unter den westlichen Demokratien verankerte. In der neuen Verfassung sind zwar die Grundrechte auch deklariert. Doch sind die Kompetenzen des Verfassungsgerichts stark beschnitten und die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt. Für die Ungarn hat dies gleich eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gebracht. Mit 27 Prozent hat das Land nun den höchsten Satz in der Europäischen Union.
Funktionsträger können erstmal nicht abgewählt werden
Kurz vor dem Jahreswechsel verabschiedete das Parlament weitere Gesetze, mit denen unter anderem die Unabhängigkeit der Zentralbank eingeschränkt und das Wahlgesetz zugunsten der Fidesz geändert wurden. Wichtige Funktionsträger, die von der Regierung Orbán ernannt wurden, sind für mehrere Legislaturperioden in ihren Ämtern "einbetoniert". afp, dpa
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