Angela Merkel und ihr Führungsstil
Angela Merkel steht für einen neuen, pragmatischen Führungsstil. Doch nicht nur der hausgemachte Streit um Reformen lässt die Kanzlerin plötzlich seltsam schwach aussehen. Eine Analyse von Rudi Wais
Als Angela Merkel ihr Amt als Kanzlerin antrat, stand ihre unaufgeregte, ausgleichende Art auch für einen neuen Führungsstil: pragmatisch in der Sache, moderat im Ton - und nicht so autoritär und männlich-überheblich wie Gerhard Schröder.
Das argumentative und dramaturgische Durcheinander der vergangenen Woche zeigt nun allerdings auch die Grenzen dieses kooperativen Managements der Macht: So tragisch der von einem deutschen Offizier befohlene Luftangriff von Kundus auch endete - zum innenpolitischen Skandal wurde er erst, weil die Regierungschefin einem Minister zu lange vertraute.
Fast zwangsläufig wird sie nun in den Strudel der Ereignisse vom 4. September mit hineingezogen: Was wusste Angela Merkel selbst - und wann wusste sie es? Hätte sie nicht viel früher und viel entschlossener auf Aufklärung dringen müssen, anstatt sich pauschal alle Kritik von den USA und anderen Verbündeten zu verbieten? Oder, noch schlimmer: Wurden brisante Informationen kurz vor der Bundestagswahl womöglich bewusst vertuscht? Vor dem Parlament hat die Kanzlerin schon vier Tage nach dem dramatischen Zwischenfall versprochen, die Bundeswehr werde "mit allen zur Verfügung stehenden Kräften" Klarheit schaffen. Geschehen ist genau das Gegenteil.
Mit dem sanft erzwungenen Rücktritt von Franz Josef Jung hat sich die Koalition nur vorübergehend etwas Luft verschafft. Neben dem hausgemachten Streit um die geplanten Steuer- und Gesundheitsreformen sind es vor allem die Nachbeben aus Kundus, die die populäre Bundeskanzlerin plötzlich seltsam schwach aussehen lassen. Die schmallippige Art, mit der sie den Wechsel von Ursula von der Leyen ins Sozialministerium und die Beförderung von Kristina Köhler zur Familienministerin verkündete, spricht Bände: So souverän, wie es scheinen soll, regiert das vermeintliche Wunschbündnis bisher nicht.
Zwei Monate nach ihrer Wiederwahl wird Angela Merkel zur Gefangenen ihrer eigenen Politik. Einerseits widerspricht es ihrem Naturell, Konflikte wie Schröder mit Machtworten oder Rücktrittsdrohungen zu lösen - andererseits braucht jede Koalition ein gewisses Maß an Führung. Im Verteidigungsministerium konnte sich ja vor allem deshalb ein gefährliches Eigenleben entwickeln, weil dort ein netter, aber harmloser Hausherr saß, den seine Chefin noch dazu an der langen Leine laufen ließ.
Für die Kanzlerin ist die Entlassung eines treuen Ministers ein Zeichen von Schwäche. Im Fall Jung wäre sie ein Zeichen der Stärke gewesen. Beim nächsten Skandal wird sie deshalb nicht zaudern, sondern handeln. Angela Merkel, das weiß man, lernt schnell.
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