An diese acht Bilder aus dem Jahr 2022 werden wir uns erinnern
2022 war ein atemloses Jahr, voll von Nachrichten. Doch oft sind es nur kurze Momentaufnahmen, die sich ins Gedächtnis brennen. Ein Blick zurück in acht Szenen.
Olaf Scholz bei Wladimir Putin: Am Vorabend des Krieges
Als Olaf Scholz an dem verstörend langen Tisch im Kreml Platz nimmt, lebt die Hoffnung noch. Bei seinem Antrittsbesuch in Moskau geht es darum, einen drohenden Krieg abzuwenden. Doch er scheint zu spüren, dass es dafür schon zu spät ist. Wladimir Putin geht nicht nur räumlich auf Distanz. „Kann es passieren, wenn ich abfliege, dass hinter mir die russischen Kampfflieger Richtung Ukraine aufsteigen?“, fragt Scholz den russischen Präsidenten an jenem 15. Februar. Putin habe darauf nicht mit Nein geantwortet, wird der Kanzler später erzählen. Noch pokert der Kreml-Chef, lässt sogar kurzzeitig Soldaten von der Grenze zur Ukraine abziehen. Doch nur neun Tage nach dem Treffen mit Scholz überfallen russische Truppen die Ukraine. Es herrscht Krieg in Europa.
Wolodymyr Selenskyj: Der Mann in Olivgrün
Als Putins Panzer Kiew einkesseln und die ersten Bomben auf die Stadt fallen, steht Wolodymyr Selenskyj vor der Wahl: gehen oder bleiben? Der ukrainische Präsident bleibt. Er tauscht Anzug und Krawatte gegen olivgrüne Militärklamotten, lässt sich demonstrativ in Kiew auf offener Straße filmen. Die Botschaft richtet sich an Russland, aber auch an den Westen: Wir werden uns nicht kampflos ergeben. Eine Woche nach Kriegsbeginn wendet sich Selenskyj per Videoschalte an das Europaparlament. Die Abgeordneten erheben sich applaudierend von ihren Plätzen. Doch dem 44-Jährigen geht es nicht um Beifall. Er will konkrete Unterstützung. Nicht nur mit Geld, sondern auch mit Waffen. Der Westen muss Farbe bekennen – und tut sich damit schwer.
G7-Gipfel: Die Welt schaut auf Bayern – und Söders Klamotten
Der G7-Gipfel im Juni auf Schloss Elmau steht ganz im Zeichen dieses Krieges. Die Welt schaut gebannt auf Bayern, und die Staatenlenker bemühen sich darum, eine Einheit gegen den Kriegstreiber in Moskau zu schmieden. Als guter Landesvater nimmt Markus Söder die hohen Gäste persönlich in Empfang – und muss sich unverhofft für eine zerknitterte Hose und vermeintlich provinzielle Bierdimpfelei im Rahmenprogramm bespötteln lassen. Der Ministerpräsident (er)trägt die Kritik ähnlich gelassen wie die Klamotten.
Blutsbruder Hubert Aiwanger: Winnetou darf nicht sterben
Kleiner Trost: Auch Söders Vize Hubert Aiwanger wird regelmäßig zur Zielscheibe kleiner Gehässigkeiten. So auch im Sommer, als der selbst ernannte Retter des gesunden Menschenverstandes wie ein echter Blutsbruder für seinen Kindheitshelden Winnetou das Kriegsbeil ausgräbt. Es geht um die Frage, ob man heute noch alte Indianer-Klischees aus Karl Mays Zeiten verbreiten sollte. Aiwanger hat dazu eine klare Meinung und lässt den Häuptling der Apachen sogar im Bierzelt beim Gillamoos auftreten.
Christine Lambrecht: Die Ministerin der Verteidigung
Christine Lambrecht hat sich den Job nicht ausgesucht. Und dann bricht auch noch dieser Krieg aus, der die Verteidigungsministerin plötzlich zu einer der wichtigsten Personen im Kabinett macht. Die Bundeswehr erweist sich schon bald als bedingt abwehrbereit, was man der neuen Chefin nur bedingt anlasten kann.
Doch auch sie selbst gibt häufig keine besonders glückliche Figur ab. Erst bietet sie der Ukraine ernsthaft ein paar hundert Helme an, um sich Putins Soldaten entgegenzustemmen, dann gelingt es ihr nicht, eine Idee zu entwickeln, wie die Truppe mit zusätzlichen 100 Milliarden Euro fit für die Zukunft gemacht werden soll. Und so muss sich die SPD-Politikerin sehr oft selbst verteidigen.
70 Jahre auf dem Thron: Ein letzter Jubel für die Queen
Bei den Feierlichkeiten zum unglaublichen siebzigsten (!) Thronjubiläum der Queen hängt schon ein Hauch von Abschied in der Luft. Zehntausende Menschen jubeln Königin Elisabeth II. vor dem Buckingham Palast zu. Doch die Rekord-Monarchin zieht sich seit dem Tod ihres Mannes Prinz Philip immer weiter aus der Öffentlichkeit zurück. Die Kräfte schwinden. Drei Monate später stirbt die Queen auf ihrem geliebten schottischen Schloss Balmoral. Und für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen, nicht nur in Großbritannien.
Der Nächste, bitte: Boris Johnson muss gehen
Boris Johnson vergleicht sich gerne mit Winston Churchill. Der legendäre Premierminister war der erste, mit dem es Elisabeth II. als junge Frau zu tun hatte. Johnson wäre beinahe der letzte gewesen. Doch zwei Tage vor ihrem Tod entlässt ihn die Queen. Johnson stolpert letztlich über sein notorisch schwieriges Verhältnis zur Wahrheit. Lügen und rhetorische Ausflüchte pflastern seine Karriere und doch trauern ihm viele hinterher, als er mit Frau Carrie an der Hand die Downing Street verlässt. Könnte auch an Johnsons Nachfolgerin liegen. Liz Truss macht fast alles falsch, was man falsch machen kann und ist inzwischen auch schon wieder Geschichte.
Die da oben: Friedrich Merz im Privatflieger
Von Friedrich Merz könnte Johnson lernen, dass es immer eine zweite Chance gibt, manchmal sogar eine dritte. Der CDU-Chef geht seine Rolle als Oppositionschef mit großem Elan an. Doch das Bild von ihm, das vielen Menschen aus diesem Jahr im Gedächtnis bleiben wird, hat nichts mit Politik zu tun. Zur Hochzeit von Finanzminister Christian Lindner auf der noblen Insel Sylt reist Merz, der sich selbst einmal in der „gehobenen Mittelschicht“ verortete, im Privatflieger an. Inmitten der Krise halten das manche für abgehoben. Merz hingegen verweist auf ein reines grünes Gewissen: „Ich verbrauche mit diesem kleinen Flugzeug weniger Sprit als jeder Dienstwagen eines Mitgliedes der Bundesregierung. Und deswegen fliege ich.“
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