Die kurze, aber historische Reise des Olaf Scholz
Plus Was hat die Ukraine-Reise des Bundeskanzlers konkret gebracht? Über eine wortkarge Vize-Regierungssprecherin, Eilmeldungen und einen sichtlich erleichterten Olaf Scholz.
Nach seiner anstrengenden Ukraine-Reise ist Olaf Scholz am Freitagmorgen die Erleichterung deutlich anzusehen. Zurück auf polnischem Boden, in Przemysl und damit in Sicherheit, wechselt der Bundeskanzler einen Händedruck mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, mit dem er im Zug unterwegs war. Noch ein Foto in einer Reihe historischer Fotos seit Mittwochabend, als er in Richtung Kiew aufbrach. Gemeinsam mit Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. Endlich! Oder: Zu spät! – wie seine zahlreichen Kritikerinnen und Kritiker meinten.
Am Bahnsteig also noch ein Händedruck – eher ein Ineinanderschlingen –, ein paar vorerst letzte Worte zu Macron, ein Lächeln. Danach setzt Scholz den Rest der Strecke bis nach Berlin allein fort.
Dieser Artikel ist hier noch nicht zu Ende, sondern unseren Abonnenten vorbehalten. Ihre Browser-Einstellungen verhindern leider, dass wir an dieser Stelle einen Hinweis auf unser Abo-Angebot ausspielen. Wenn Sie weiterlesen wollen, können Sie hier unser PLUS+ Angebot testen. Wenn Sie bereits PLUS+ Abonnent sind, .
Dieser Artikel ist hier noch nicht zu Ende, sondern unseren Abonnenten vorbehalten. Ihre Browser-Einstellungen verhindern leider, dass wir an dieser Stelle einen Hinweis auf unser Abo-Angebot ausspielen. Wenn Sie weiterlesen wollen, können Sie hier unser PLUS+ Angebot testen.
Die Diskussion ist geschlossen.
Was war denn an dieser Reise historisch?
Die Ukraine führt einen Abwehrkrieg gegen eine Armee, der der "Global Firepower Index" den 2. Platz weltweit einräumt (Ukraine Platz 22).
Trotz aller anfänglicher Unzulänglichkeiten spielt mittlerweile Russland, wie man liest und hört, seine artilleristische Feuerüberlegenheit gnadenlos aus.
Laut ukrainischem Geheimdienst komme auf ein ukrainisches Geschütz 10 - 15 russische, und den Ukrainern geht die Munition aus.
Abgesehen von den gelierferten Panzer- und Fliegerfäusten war die militärische Unterstützung Deutschlands nach nun dreieinhalb Monaten Krieg weitgehend substanzlos: Die 30 Gepard-Panzer sind ohne ausreichend Munition nutzlos, 12 Panzerhaubitzen (Auslieferung ab Juli, wie die Geparden) sowie 4 MARS-Raketenwerfer sind ein Tropfen auf den heißen Stein, nicht mehr als eine nette Geste bei einer ca. 1000 km langen Front.
Und Herr Scholz bringt die Aussicht auf einen "voraussetzungsreichen europäischen Weg" mit, und sonst nichts. Was bringt das in 10 oder 20 Jahren einem russischen Vasallenstaat? Von der Leyens Worte "...dass es die Ukraine in der Hand habe. Und was könnte besser sein, als die eigene Zukunft zu gestalten?“ müssen in ukrainischen Ohren geradezu wie Hohn klingen.
Man kann für oder gegen eine Unterstützung der Ukraine in diesem Krieg sein. Was ich an der deutschen Regierung vermisse, ist eine klare Positionierung. So wie das bis jetzt läuft, finde ich das nur peinlich.
Die bisherige militärische Unterstützung (nicht nur Deutschlands) hat immerhin dazu geführt, dass Russland seine primären Kriegsziele nicht erreicht hat. Die Staatlichkeit der Ukraine wird erhalten bleiben und das Land hat nun eine Beitrittsperspektive für die EU. Natürlich ist das historisch. Was sonst?
Die jüngsten Äußerungen Putins in St. Petersburg haben gezeigt, dass er beabsichtigt, die Weltwirtschaft zum Kollaps zu bringen, um die demokratischen Systeme in den USA und in der EU zu destabilisieren. Es geht in diesem Krieg und dessen Auswirkungen tatsächlich um unsere Zukunft.
Antwort von Helmut Eimiller
@Wolfgang L.: „Die jüngsten Äußerungen Putins in St. Petersburg haben gezeigt, dass er beabsichtigt, die Weltwirtschaft zum Kollaps zu bringen“
Herr L., welche Äußerungen meinen Sie genau und können Sie bitte Ihre Quelle nennen.
(Habe gerade mehrere Berichte zu Putins Rede im Petersburger Wirtschaftsforum gehört und gelesen. Der Kollaps der Weltwirtschaft als Putins Ziel ist mir da nicht erinnerlich. In der Tat wäre das wohl aus Sicht des größten Landes mit den mit Abstand meisten Bodenschätzen dieser Welt ein fataler Fehler: „Russland muss sich lange Zeit keine Gedanken um seine Wirtschaft machen. Die Rohstoffe unter der Sibirischen Tundra werden das Land noch für Generationen ernähren.“ – https://www.finanzen100.de/finanznachrichten/wirtschaft/wertvoller-als-alles-gold-der-erde-diese-zehn-staaten-besitzen-die-wertvollsten-bodenschaetze-der-welt_H694537435_444373/.
Tatsächlich sprach Putin in Petersburg aber davon, dass Russland als mächtiges und modernes Land Teil einer neuen Weltordnung sei.)
Helmut Eimiller
Das braucht Putin nicht ausdrücklich zu sagen, das ergibt sich aus dem Zusammenhang und aus den russischen Aktivitäten: Die logistische und materielle Unterstützung demokratiefeindlìcher Umtriebe in den westlichen Staaten, ständige Cyber-Angriffe gegen westliche Parteien, Behörden und Wirtschaftsunternehmen, der Einsatz von Energie als Mittel der Erpressung, wie die plötzliche Reduktion der Gasexporte nach Deutschland zeigt, der unvermindert brutale Angriffskrieg in der Ukraine und die nun in St. Petersburg gemachte Ankündigung, das sei erst der Anfang und werde Jahre dauern, gepaart mit der geäußerten Freude über die bereits herrschende Inflation und Rezessionsangst in den Feindstaaten Russlands.
Natürlich richten sich die Russen damit wirtschaftlich selbst zu Grunde, aber sie sehen ihre Zukunft nun in der Partnerschaft mit China und anderen autokratischen Staaten. Wir werden einen kalten Krieg der politischen Systeme erleben, der jederzeit in einen heißen Krieg münden kann. Verlierer werden alle sein. Ich bin mittlerweile auch der Meinung, dass Verhandlungen vor diesem Hintergrund wenig bringen werden.
@ Herrn L.:
Russland hat seine Kriegsziele BIS JETZT nicht erreicht. Es hat seine Strategie geändert, seine Kräfte im Osten konzentriert. Die russische Armee bleibt nun auf Distanz und schieß, anstatt sich in Straßenkämpfe verwickeln zu lassen, mit seiner Feuerüberlegenheit eine Stadt samt Verteidiger nach der anderen kurz und klein und unterbricht die Nachschublinien der Ukrainer, während diese die Möglichkeit, den russischen Nachschub zu stören, entweder nicht hat, oder Angriffe auf russisches Territorium wegen der im Raum stehenden nuklearen Drohung nicht wagt.
Aufgrund dieses Ungleichgewichts wird die Ukraine, wenn sie nicht massiv mit Waffen und ausreichend Munition versorgt wird, diesen Abnutzungskrieg verlieren.
Und deshalb ist die bei diesem Besuch neben warmen Worten lediglich mitgebrachte Aussicht auf einen EU-Beitritt in ferner Zukunft für die Ukraine im besten Fall eine historische Farce.
@Stefan R., das mag für die augenblickliche Situation zutreffen. Dennoch kommt Russland nicht in relevantem Umfang voran. Wenn die westlichen Haubitzen und Mehrfachraketenwerfer an die Ukraine demnöchst geliefert werden, die äußerst präzise funktionieren und eine große Reichweite haben, werden die Ukrainer beginnen, das russisch besetzte Hinterland kurz und klein zu schießen.
@ Herrn L.:
Neben einer großen Zahl an Ausrüstung, Kleinwaffen und nach wie vor vielen Panzer- und Fliegerfäusten sind bisher nach meiner Recherche folgende Lieferungen an "schweren Waffen" (Summe aller Länder) zugesagt/Geliefert:
7-11 Panzerhaubitzen 2000 (D+NL)
6 Geschütze (F)
11 Raketenwerfer aus versch. Ländern + einer unbek. Anzahl aus GB und USA
8 Haubitzen (Slowakei) + einige aus Estland
18 Haubitzen (USA)
Geschütze (Anzahl unbek.) + 20 000 Schuss aus CN
Ein Luftabwehrsystem IRIS-T-SL (D, Umfang unbekannt)
Ein Artillerie-Ortungssystem (D)
12 Flugzeuge + Munition (Spanien)
Einige Kampfhubschrauber (Tschechien)
Polen will angeblich 200 T-72-Panzer liefern (das wäre eine ordentliche Zahl),
weitere Raketenwerfer, Geschütze wurden durch GB und die USA zugesagt, Anzahl unbekannt.
Ich bezweifle, daß trotz Modernität und Schlagkraft der Systeme diese Zahl (nebst den Monatelangen Lieferzeiten) den Kriegsverlauf wesentlich zu beeinflussen vermag. Man könnte den Eindruck bekommen, daß zwar Beistand demonstriert werden soll, aber nicht in einem Umfang, der die Russen ernsthaft aufbringt. Aber vielleicht passiert ja hinter den Kulissen mehr. Man wird sehen.
Die ganze Reise bleibt Symbolpolitik in Sachen Beitritt der UA zur EU und Suche nach einem Weg zum Frieden in der Region. Und warum muss sich Scholz anstrengen, die Erwartungen zur Unterstützung der UA zu erfüllen? Keineswegs, er ist primär verpflichtet zum Wohl des deu Volkes zu arbeiten. Die Wünsche der Mainstream Presse und Kiews kommen dabei erst an zweiter Stelle. Er vertritt so wie Makron FR erst Mal die Interessen des eigenen Landes und nicht der Erfüllungsgehilfe des UA Präsidenten.
Sie habe völlig Recht.
Die Frage ist nur, was mittelfristig für Deutschland und Europa besser ist: Die Ukraine konsequent zu unterstützen, oder sich rauszuhalten und Russland mit seiner Kriegspolitik durchkommen zu lassen. Die Frage ist, wie ich finde, nicht leicht zu beantworten, zumal, wie man hört, auch China sehr genau beobachtet, wie sich der Westen in dieser Frage verhält.
Dies zu tun wäre aber Aufgabe unserer Regierung. Und bis jetzt sehe ich sie nur lavieren und sich winden.
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
Deutschland ist Mitglied der EU und der Nato. Damit sollte Ihre Frage beantwortet sein. Die Bundesregierung wäre verrückt, irgendwelche Allgänge zu unternehmen.
Und die deutsche Bevölkerung würde es auch nicht akzeptieren, sich frech anlügen zu lassen, wie dies in GB oder Polen praktiziert wird. Deswegen macht Scholz das absolut richtig.
@ Herrn L.:
Und weil Deutschland Mitglied der EU und der NATO ist, soll es weder eigene Interessen noch einen eigenen Willen haben? Das praktizieren unsere Partner aber ganz anders, habe ich den Eindruck.
Bis jetzt haben noch alle Mitgliedsländer selbst entschlossen, was und wieviel sie liefern. Bulgarien liefert nichts.
Man kann zu dem Thema, was richtig oder falsch ist, unterschiedlicher Meinung sein. Von Herrn Scholz jedenfalls habe ich bisher nichts wesentliches von Substanz vernommen. Erst mal ist er wochenlang abgetaucht, und dann, wenn sichs gar nicht mehr vermeiden läßt, kommt auch nur vages und schwammiges. Ein würdiger Nachfolger von Frau Merkel. Er scheint einerseits Schiß vor seinen Koalitionspartnern und den Medien, andererseits vor seiner eigenen Partei zu haben.
Wenn Sie dieses kleinmütige Verhalten nützlich und angemessen finden, ist das o.k. Für mich sieht regieren anders aus, er macht mir eher den Eindruck eines Getriebenen.
Herr R., mir ist nicht ganz klar, was Sie eigentlich wollen. Natürlich hat die deutsche Bundesregierung selbst entschieden, in welcher Form sie liefert und zwar auf der Basis der ukrainischen Anforderungen und der Notwendigkeiten, aber auch auf Basis der vorhandenen Möglichkeiten. Diese sind leider sehr beschränkt, was v. a. die unionsgeführten Regierungen und die von den Unionsparteien gestellten Verteidigungsminister der letzten Jahrzehnte zu verantworten haben.
Zusätzlich hatten Scholz und seine Minister offensichtlich mögliche Reaktionen Russlands im Auge. Die vergangenen Monate wurden genutzt, um mit Hochdruck die Abhängigkeiten von Russland etwas zu reduzieren. Dass darüber nicht in allen Details in der Öffentlichkeit gesprochen werden kann, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Umso erbärmlicher ist das Verhalten der Oppositionsparteien und der rechten Presse, die weniger das Wohl des deutschen Volkes, sondern mehr ihre eigenen Interessen im Fokus haben.