Nahles rechnet mit Schröder und Müntefering ab
Berlin (dpa) - Die neue SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat in scharfer Form mit dem Kurs von Gerhard Schröder und Franz Müntefering abgerechnet. Die Politik des früheren Kanzlers und des ehemaligen Parteichefs habe die SPD in die Krise geführt.
Von diesem "Ballast der Vergangenheit" müsse sich die SPD rasch befreien, schreibt Nahles in ihrem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Buch.
Nach Überzeugung der 39-Jährigen liegen die Ursachen für die anhaltende Misere der Partei "maßgeblich" in Schröders Reform-Agenda 2010. Mit diesem Konzept habe die SPD ihren Anspruch aufgegeben, "eine gestaltende, ausgleichende Modernisierungspartei" zu sein. Sie habe stattdessen mit der Agenda einseitig neoliberale Positionen zur "Entfesselung von Marktkräften" übernommen. "Der oberlehrerhafte Ton, mit dem wir den Menschen die Alternativlosigkeit unseres Handelns schmackhaft machen wollten, hat das alles nicht besser gemacht." Als falsch weist Nahles auch Schröders seinerzeitige Behauptung zurück, es gebe keine rechte oder linke, sondern nur eine moderne oder unmoderne Wirtschaftspolitik. "Die Schablonen der Neoliberalen zu variieren, führt nicht zum Dritten Weg der Sozialdemokratie, sondern zum Verzicht auf eigene Gestaltungsmacht", hält sie dem Ex-Kanzler entgegen.
Nach Nahles' Ansicht wurde die von Müntefering in der großen Koalition durchgesetzte Rente mit 67 "zum Synonym für die endgültige Abwendung der SPD von den Gefühlen und Problemen der kleinen Leute". Diese "von oben verordnete Erhöhung des Rentenalters für alle" sei denkbar ungeeignet gewesen, die Rentenkassen langfristig zu sichern. Ebenso wie bei der Agenda 2010 seien die SPD-Kämpfe um die Rente "in einer technizistischen und detailversessenen Manier" geführt worden. Das eigentliche Ziel, die Bewahrung des Sozialstaats, sei nicht mehr erkennbar geworden. Auch deshalb habe die SPD in den elf Regierungsjahren "große Teiles ihres Vertrauenskapitals verspielt".
Ins Gericht geht Nahles in ihrem Buch "Frau, gläubig, links" auch mit dem von Müntefering verantworteten Bundestagswahlkampf. So sei versäumt worden, eine "realistische Perspektive" für das Ende des Bündnisses mit der Union zu formulieren. "Wir konnten nicht glaubhaft aufzeigen, mit welcher Strategie und mit welcher Koalitionsoption wir Angela Merkel im Kanzleramt ablösen wollten." Die SPD habe den Wählern "durch die Blume" die Botschaft vermittelt: "Wenn Euch unsere Politik nicht passt, dann geht doch woanders hin. Und das haben sie dann ja auch getan."
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