Zwischen zwei Ozeanen: Ein Feuerritt durch Zentralamerika
Vulkane gibt es in El Salvador, Honduras und Nicaragua viele zu sehen. An einem hat man sogar das Gefühl, am Eingang zur Hölle zu stehen.
So muss es in der Hölle aussehen, was für ein Anblick. Dort unten, vielleicht 200 oder 300 Meter tiefer in dem Krater, glüht und brodelt die Welt in 100 Abstufungen von Rot – oder sind es noch mehr? Während die Sonne rasch untergeht, wird das rote Schimmern intensiver. So also schaut es unter der Oberfläche aus. Und hier, an diesem Kraterrand, wirkt der Boden, auf dem man schon sein ganzes Leben steht, auf dem die ganze Welt, wie wir sie kennen, errichtet ist, unglaublich dünn und zerbrechlich. Auf einer Scholle findet das Leben statt. Darunter walten Kräfte, die niemand kontrollieren kann. Es ist schwer, sich vom Anblick des Masaya loszureißen. Spektakulär endet diese Reise durch Zentralamerika.
„Brennender Berg“ nannte die indigene Bevölkerung diesen Vulkan – „Popogatepe“. Für die Konquistadoren war es „La Boca Del Infierno“ – „Der Höllenschlund“. Später diente das glühende Loch in der Nähe von Nicaraguas Hauptstadt Managua dazu, politische Gegner ohne Spuren verschwinden zu lassen – in der Diktatur unter Anastasio Somoza und später während der Herrschaft der Sandinisten unter Ortega.
Vulkanausbrüche haben die Landschaft geprägt
Schon ist man mittendrin. So wie dieses schmale Stück Land zwischen Nord- und Südamerika, zwischen Atlantischem und Pazifischem Ozean Schicht um Schicht durch unzählige Vulkanausbrüche gestaltet worden ist, so ist auch die Geschichte aufgeschichtet. Es gibt die Zeit vor Kolumbus, die Zeit unter der spanischen Herrschaft, die Zeit der Unabhängigkeitsbewegungen und die Zeit mit der Supermacht USA.
Es gibt hier so viel zu entdecken: moderne Großstädte, Reste des ursprünglichen Dschungels, alte Maya-Ruinen, die Karibikküste von Honduras und Nicaragua soll schön sein, alle schwärmen von ihr. Und auf der anderen Seite die Surfstrände am Pazifik. Dazu die älteren Städte, die in ihrem Kern noch im alten Kolonialstil errichtet sind. Aber wenn die Zeit begrenzt ist, muss man sich entscheiden, zum Beispiel für Vulkane, für eine alte Maya-Stadt und große Inlandsseen, wie auf dieser Reise durch El Salvador, Honduras und Nicaragua.
Allerdings sollten Touristen nicht leichtfertig dorthin aufbrechen. Die Reisehinweise des Auswärtigen Amts für El Salvador, Honduras und Nicaragua sind für jeden schon einmal die erste Mutprobe und sollten auf keinen Fall leichtfertig abgetan werden. Es gibt in El Salvador und Honduras organisierte Bandenkriminalität. Die Anzahl der Waffen, die öffentlich zur Schau gestellt werden, hat es in sich. Selbst Parkplatzwächter tragen halb automatische Gewehre. In Nicaragua gibt es seit einem Jahr Proteste gegen Daniel Ortega, der sich vom Befreiungsrevolutionär der 1970er Jahre nun in einen Präsidenten verwandelt, der die Macht nicht mehr loslassen kann, auch wenn das die Verfassung des Landes vorschreibt.
Die Menschen in El Salvador sind herzlich und hilfsbereit
Aber wer dann in San Salvador, der Hauptstadt El Salvadors, ein kleines Geschäft sucht, um ein paar Münzen Wechselgeld zu bekommen, merkt schnell, was Reisen in Zentralamerika auch sein kann – eine Einübung in Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft. Und Margarita Mansia hätte wirklich allen Grund für Missmut. Sie arbeitet seit 30 Jahren in demselben kleinen Geschäft und verkauft Brot, sie verdient nur den gesetzlich festgeschriebenen Minimum-Lohn von 300 Dollar im Monat. Allein für die tägliche Busfahrt und das Essen tagsüber muss sie 120 Dollar ausgeben. Sie wohnt auch noch in einem Viertel der Stadt, in das Touristen besser nicht fahren. Aber Mansia strahlt, sie ist voller Lebensfreude und erzählt, wie sie ihre Krebserkrankung überlebt hat – durch die Medizin und durch Gott.
In San Salvador beginnt dieser Feuerritt quer durch drei Länder in knapp zwei Wochen. Vulkane werden in dieser Zeit zu den ständigen Begleitern. Allein in El Salvador gibt es 25 aktive Feuerberge, einer davon liegt mittlerweile im Stadtgebiet der Hauptstadt El Salvadors. Denn die Millionenstadt wächst immer mehr die Hänge des 1967 Meter hohen aktiven Vulkans Boquerón hinauf. Mehr als 300 Mal bebt die Erde pro Jahr in San Salvador, oft sind das aber nur schwache Schwingungen, die nur von Seismografen registriert werden. Was im Fall eines großen Ausbruchs passiert, möchte sich niemand so richtig vorstellen. Das letzte Mal spie der Boquerón 1917 Feuer und niemand kann vorhersagen, wie lange er noch Ruhe geben wird.
Heute ist die Gipfelregion des Bergs ein Naturpark, ein Naherholungsgebiet der Stadt. Dort oben lässt sich das erste Mal erahnen, wie dieser Streifen Land zwischen Nord- und Südamerika eigentlich aussehen würde, wenn er nie von Menschen besiedelt worden wäre. Dann wäre das alles heute noch Dschungel, so wie er dort oben am Gipfel zu erkunden ist.
Dann geht es weiter. Mit dem Flugzeug nach San Pedro Sula in Honduras. Der Reiseführer nennt die Stadt einen der gefährlichsten Orte der Welt jenseits von Kriegsgebieten. Dieser Superlativ verleitet nicht zum Verweilen, deshalb geht es in einem Kleinbus auch sofort in den äußersten Westen des Landes. Das Ziel heißt Copán das nahe an der Grenze zu Guatemala liegt.
Dort wartet ein Weltkulturerbe, alte Maya-Ruinen. Von 200 bis 800 nach Christus gehörte die Stadt zu den wichtigen Zentren der Mayas in Zentralamerika. Dann wurde Copán, das einmal von 20.000 Menschen bewohnt wurde, verlassen und vergessen. Der Dschungel kam zurück und überwucherte alles, bis fast nichts mehr vom Glanz vergangener Tage zu sehen war. Jetzt gibt es wieder eine kleine Stadt in der Nähe, die hauptsächlich vom Tourismus lebt, denn die zum Teil sehr gut erhaltenen Ruinen, die in den letzten hundert Jahren ausgegraben worden sind, haben zu Recht einen legendären Ruf.
Das Paris Amerikas soll diese Stadt vor mehr als 1000 Jahren einmal gewesen sein. Den besonderen Stil Copáns vergleicht man gerne mit dem Barock-Zeitalter in Europa. Und um die Bedeutung eines der letzten Herrscher der Stadt, Uaxaclajuun Ub’aah K’awiil, gemeinhin 18 Rabbit genannt, richtig zu verstehen, wird Ludwig XIV. herangezogen. Aber anders als in dessen Residenz, dem Louvre, bleibt man in Copán von dem Gedränge und Geschiebe verschont.
Das lautstarke und farbenprächtige Begrüßungskomitee bildet eine Gruppe Papageien in den Bäumen – „Macaws“, sagt der Führer Yobani Antonio Peraza. Und dann weist er auch schon auf die ersten Steine hin. Hier, dieser Hügel, auf dem heute ein Ceiba-Baum stehe, sei früher ein Haus gewesen, das irgendwann einmal, nachdem es verlassen worden ist, kollabierte. Und dann sei der Dschungel wieder gekommen. Diese Baumart, eine der größten in Zentralamerika, sei für die Mayas wichtig gewesen. Sie glaubten, dass er über seine Wurzeln eine Verbindung ins Totenreich herstelle und über seine Blätter in den Himmel zu den Göttern.
Nicaragua ist das letzte Etappenziel
Es ist heiß an diesem Tag, was sich nicht so sehr in absoluten Zahlen ausdrückt: 31 Grad klingt erträglich, fühlt sich aber bei tropischer Luftfeuchtigkeit wie Sauna pur an, vor allem mittags, wenn die Sonne fast senkrecht über dem Himmel steht. Jetzt tauchen die Prachtbauten auf, die einst das Zentrum der Stadt bildeten. Kleinere Pyramiden, die ein Forum begrenzen. Schon hat einen diese große Vergangenheit in den Bann geschlagen. Hier ein Platz, dort eine kleine Halle, in der die Stadtoberen zusammenkamen, der späte Versuch, mehr Menschen an der Herrschaft zu beteiligen. An vielen Wänden sind Schriftzeichen, die den Forschern von der fernen Zeit erzählen.
Als Tourist staunt man vor allem über diese Skulpturen. Immer wieder finden sich Stelen von 18 Rabbit, der von 695 bis 738 regierte und einige der imposantesten Bauten Copáns veranlasste, etwa den Ballplatz, an dem die Mayas ihre rituelle Version des Fußballs spielten. Niemand kann heute mehr sagen, wie das Spiel funktionierte und ob es Verlierer und Gewinner gab und ob es stimmt, dass Spieler auch rituell geopfert wurden. Dieses Schicksal war übrigens 18 Rabbit selbst beschieden. Peraza erzählt, wie der Herrscher einen Krieg gegen eine sehr viel kleinere Vasallenstadt verlor, gefangen und dann auch enthauptet wurde. Damit war der Höhepunkt Copáns überschritten, von dieser Niederlage erholte sich die Stadt nicht mehr.
In Copán würde es einem sicherlich tagelang nicht langweilig werden, aber die Zeit ist knapp. Nicaragua lautet das letzte Etappenziel dieser Reise, von San Pedro de Sula geht es nach Managua und von dort gleich weiter an den Lago de Nicaragua, einen sehr großen Binnensee. Die Stadt Granada dort verführt einen mit ihrem Kolonialstil. In der Ferne ist die Vulkaninsel Ometepe zu sehen, viel näher liegt der 1300 Meter hohe Mombacho, dessen Gipfel oft in Wolken liegt. Dort oben bewahrt ein Naturschutzgebiet den ursprünglichen Dschungel, der an so vielen Stellen des Landes der Landwirtschaft gewichen ist. Es hat etwas Fantastisches, einzutauchen in den Wolkennebel und auf einem der Wanderwege diese 100 Abstufungen von Grün – oder sind es noch mehr? – zu erblicken.
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