Die Probleme der anderen
Bettina Böhm arbeitet seit einem halben Jahr als Psychologin am Gymnasium in Schwabmünchen. Sie erzählt von schlechten Noten, wenig Zeit – und welche Rolle das Wetter dabei spielt.
Von Axel Hechelmann
Schwabmünchen Wer die Türe zu Bettina Böhms Büro öffnet, kneift an diesem Mittag die Augen zu. Am Himmel hinter dem Fenster steht keine einzige Wolke, eine grelle, gelbe Markise im Innenhof blendet. In dem kleinen Raum steht ein runder Holztisch, das Licht ist warm und es gibt Schokolade und Bonbons. Es könnte ein Tag ohne Sorgen sein. Doch so einfach ist das nicht. Auch an diesem Tag klopfen Schüler des Leonhard-Wagner-Gymnasiums an der Tür von Bettina Böhm an. Und sie bringen ihre Ängste mit.
Die 28-Jährige ist seit einem halben Jahr Schulpsychologin. Sie trägt braune Locken, lacht viel und spricht mit einer ruhigen Stimme. Böhm betreut Kinder, wenn sie von ihren Mitschülern gemobbt werden, gibt Tipps gegen Prüfungsangst oder hilft bei Problemen in der Familie. Vier Stunden in jeder Woche arbeitet sie als Psychologin, ansonsten steht sie im Klassenzimmer und unterrichtet Mathe und Psychologie. Dabei bräuchte Böhm „mindestens die doppelte Zeit“ für die vertraulichen Gespräche mit den Schülern.
Weihnachten und Zeugnisse schlagen häufig auf das Gemüt
Inzwischen sitzen an den meisten bayerischen Gymnasien Kollegen und Kolleginnen von Bettina Böhm. Besonders oft rufen Mädchen und Buben vor Weihnachten oder bei den Zwischenzeugnissen bei der Psychologin an, kommen vorbei oder schreiben eine E-Mail. In der scheinbar harmonischen Adventszeit sind manche Schüler besonders verletzlich oder das triste Wetter schlägt ihnen auf das Gemüt. Oft zweifeln sie auch an sich, wenn auf der Klausur eine Fünf oder Sechs steht.
Eine Sitzung allein dauert dann oft eine dreiviertel Stunde. Und Böhm muss geduldig sein, denn die Schüler sollen die Lösung für ihr Problem selber erkennen. Das kann ganz einfach sein: Schülern mit Lernproblemen hilft beispielsweise oft ein einfacher Lernplan. Aber manchmal scheint die Situation ausweglos zu sein. Wenn sich ein Schüler die Unterarme aufritzt oder eine Schülerin an einer Essstörung leidet, dann brauchen sie professionelle Hilfe. „Trotzdem ist der Schritt zur Schulpsychologin leichter, als gleich zum Therapeuten zu gehen“, sagt Böhm. Erfahren wird von den Problemen eines Schülers übrigens kein Mitschüler oder Lehrer. Denn über die vertraulichen Gespräche in ihrem Büro redet Böhm nicht. Wenn es an der Schule keinen Schulpsychologen gibt, können auch Vertrauenslehrer weiterhelfen, sagt sie. Oder ein anderer Lehrer, dem ein Schüler vertraut.
Dann ist es Viertel vor eins. Auf Bettina Böhm wartet der nächste Termin. Der Schüler wird sich an den runden Holztisch setzen, er wird draußen keine Wolke sehen und die gelbe Markise wird ihn blenden. Aber danach wird er sich etwas besser fühlen oder sogar eine Lösung für sein Problem gefunden haben. Denn: „Die Gespräche bewirken zumindest immer etwas Kleines“, sagt Bettina Böhm.
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