Der Vergnüngspark auf dem Spickel
Vor 50 Jahren verschwand die beliebte Wirtschaft beim Eiskanal. Ihre Geschichte reicht weit in die Vergangenheit zurück.
In Winter 2016 jährte es sich zum 50. Mal, dass die Augsburger Berufsfeuerwehr in der alten Wirtschaft auf dem Spickel "zündeln" durfte: Es war Freitag, der 2. Dezember 1966, als sie in dem Gebäude Brände legte, um ein Leichtschaum-Löschmittel zu testen. Wenige Tage danach fuhren Bagger und Lastwagen auf. Die Traditionsgaststätte wurde restlos abgebrochen und der Schutt abgefahren. Inzwischen holte sich die Natur das freigeräumte Areal zurück. Geblieben ist der eiserne Steg über den Hauptstadtbach, der das Sportgelände des FC Hochzoll mit der Wirtschaft auf dem Spickel verband. Er darf allerdings nicht mehr betreten werden.
Ein historischen "Tempelchen" gibt es noch
Die Erschließung des Geländespitzes zwischen Neubach und Hauptstadtbach unterhalb des Hochablasses als Naherholungsgelände der Städter war den Augsburgern Philipp Christoph von Stetten und Josef von Schaden zu verdanken. Sie ließen 1793 dort ein hölzernes Sommerhaus errichten und engagierten dafür einen Wirt. Im Jahre 1799 wurde drumherum "ein hübsches Lustwäldchen mit Gängen, Grotten, Statuen" angelegt, beschreibt ein Stadtführer die Aufwertung des Spickels. Anno 1802 stellte man auf einem aufgeworfenen Hügel im parkartigen Gelände ein von vier Säulen getragenes "Tempelchen" mit der Büste des österreichischen Erzherzogs Karl auf. Dieses Denkmal gibt es noch: Es steht östlich vom Kanu-Leistungszentrum.
Vor 200 Jahren ergriff die städtische Obrigkeit die Initiative und gab dem Bauamt den Auftrag, den Ausflugsplatz komfortabler herzurichten. "Der Spickel oder die Insel, eine jetzt noch mehr verschönerte Anlage eine halbe Stunde von dem rothen Thore auf der Straße rechts am Lech. Er ist im Sommer geöffnet. Der Spickel hat sehr angenehme Parthien, auch kann man hier das Vergnügen des Wasserfahrens genießen." So wurde das Ausflugsziel danach beschrieben.
Ein Boot-Heimfahrservice mitten in Augsburg
Im Jahr 1827 schwärmte Friedrich Loë: "Dieser Platz ist äußerst angenehm, und der Besuchende findet gegenwärtig alles, was zur anständigen Lebensunterhaltung gehört." Kegelbahn, Tanzplatz und Wirtschaft, wo "man sehr billig und gut zu Mittag speist", lobte Friedrich Loë. Der von ihm geschilderte Heimfahrt-Service wäre heute eine Attraktion: Man konnte sich per Boot auf dem Hauptstadtbach und dem Kaufbach in die Stadt bringen lassen. Das dokumentiert ein Stich: Er zeigt das Anlegen beim "Bachwirt" neben dem Schüle’schen Fabrikschloss (heute Hochschule).
Ein Stadtführer von 1846 erklärt den "sehr frequenten Erholungsplatz": "Er hat seinen Doppelnamen von zwei vom Ablass ausgehenden Kanälen, welche bei ihrem Zusammenfluss eine Erdspitze oder, in der Volkssprache, einen Spickel bilden und so mit dem Lechstrom diesen Waldtheil zu einer Insel gestalten. Der Platz enthält ein freundlich gebautes Haus, Tanzplatz, Lauben, Kegelbahn, Schaukel, Kähne für Wasserparthien, kurz alles, was Groß und Klein nur immer unterhalten mag." Da Augsburgs Zeichner gerne auf der "Insel" einkehrten, gibt es davon bunte Bilder. Sie überliefern sehr anschaulich, wie es dort vor rund 200 Jahren aussah.
1896 griff die Stadt tief in den offenbar damals wohl gefüllten Steuersäckel und ließ eine neue "Waldschenke" mit Saalbau errichten. Ihr Aussehen überliefern viele Bildpostkarten. Am 28. Juli 1898 ging ein "Gruß vom Ausflug" nach Wien. Die Abbildung vom Spickel trägt den Spruch: "Hier auf dieser Insel wohne Wonne und Zufriedenheit und der Stifter Arbeit lohne froher Enkel Dankbarkeit!" Der Wirt hielt nicht nur Ansichtskarten bereit, sondern warb in Augsburger Zeitungen: "Restauration Spickel - reizende Waldschenke am Saume des Siebentischwaldes - mit hübschen geräumigen Lokalitäten. Neubau. Bekannt guter Stoff aus der Prinz-Karl-Brauerei. Café mit bayrischen Nudeln, Strauben und Kücheln. Abends großes Tanzvergnügen auf dem außerordentlich gut gewichsten Naturboden."
Die Beliebtheit der Waldwirtschaft als Ziel für Spaziergänger und Radler hielt jahrzehntelang an. Im Sommer waren die vielen Tische und Bänke im Freien von Ausflüglern sowie samstags oder sonntags beim abendlichen "Freiluftschwof" mit Blasmusik gut belegt. In den Lokalitäten fanden Familienfeste zuhauf statt.
Stadt ließ Waldgasthof Spickel verfallen
Die Stadt war Eigentümerin des "Waldgasthofs Spickel". So lautete zuletzt die Bezeichnung auf einer großen Tafel. Bereits in den 1950er- Jahren bestand dringender Sanierungsbedarf. Doch Investitionen von Seiten der Stadt unterblieben. Die Folge: Der Zustand der Gebäude verschlechterte sich derart, dass amtsintern der Abriss diskutiert wurde. Das drang an die Öffentlichkeit und löste heftige Bürgerproteste aus. Sie nützten nichts: Der Stadtrat entschied sich 1966 für die ersatzlose Beseitigung. "Im Zeichen allgewaltiger Finanzkrisen lohnt sich die Instandhaltung nicht mehr, und so fällt das Brotzeitrestaurant denn der städtischen Spitzhacke zum Opfer", war in der Zeitung zu lesen. Vor genau 50 Jahren wurde der Abbruchbeschluss in die Tat umgesetzt.
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