Der Weg des Vaters
Generationenwechsel im Familienbetrieb: Wie der Sohn zum Geschäftsführer wird - und wie Vater und Sohn mit der neuen Rollenverteilung zurechtkommen.
Pistenbullyfahrer. Das wollte Christopher ursprünglich werden. Wie er darauf gekommen ist? „Weiß ich auch nicht, die Maschinen haben mich immer schon fasziniert“, sagt der junge Mann und lacht. Statt mit einem Raupenfahrzeug Schnee zu planieren, sitzt Christopher Frieters heute im Augsburger Stadtteil Lechhausen im Büro. Seinem Büro. Der 24-Jährige ist Geschäftsführer der IVAT GmbH, die Absaugtechnologien in der Industrie verkauft. Christopher ist heute da, wo einst sein Vater stand: Generationenwechsel in der Chefetage.
Viele Unternehmer haben keinen Nachfolger
Oliver Frieters weiß, dass er Glück hatte mit seinem Sohn. „Etwas Besseres kann einem ja nicht passieren, als dass man sich mit seinem Sohn so gut versteht und er den Weg weitergehen will“, sagt der 51-Jährige. „Viele Unternehmer haben keine Nachfolger, weil die Kinder meist studieren und in großen Unternehmen eine sichere Anstellung bevorzugen als vom eigenen Vater zu lernen.“
Nicht Christopher: Schon als Kind begleitet er den Papa ins Unternehmen. Als es nach der Schule in Richtung Ausbildung geht, entscheidet er sich gegen den Beruf auf der Pistenraupe und für den Familienbetrieb. Doch wo der frischgebackene Geschäftsführer heute Verhandlungen mit Großkunden führt, muss sich der Lehrling erst einmal durch sämtliche Abteilungen tasten. Einkauf, Fertigung, Büro.
Die positiven Punkte überwiegen - auch bei Zweifel
Bevorzugt, weil er der Sohn vom Firmengründer ist, wird Christopher nicht. „Mein Vater hat mir früher oft gesagt: ‚Bleib länger, das soll mal deins werden‘. Das war aber immer alles so weit weg.“ Auch wenn die Übergabe Schritt für Schritt erfolgt – anfangs ist der junge Mann noch etwas unsicher. „Ich musste da reinwachsen. Aufgrund meines Alters hatte ich die Befürchtung, dass ich von Kunden nicht ernst genommen werde.“ Auch jetzt gibt es noch hin und wieder Momente, vor denen Christopher Respekt hat. „Wenn es mal überhaupt nicht läuft, wie es soll, denkt man sich schon: Muss das alles so sein?“, gibt er zu. „Aber letztendlich weiß man ja, wofür man es macht und diese positiven Punkte überwiegen dann.“
Die Unsicherheit darüber, eine solche Verantwortung zu übernehmen, kennt auch Oliver Frieters, der 1997 sein erstes Unternehmen gründet. „Frieters Steuerungstechnik“ heißt die Firma des Elektromechanikermeisters damals. Er stellt einen einzigen Mitarbeiter auf Minijob-Basis ein, der auch jetzt noch bei IVAT beschäftigt ist. „Es waren schwierige Jahre“, erinnert sich der Gründer, „aber heute steht das Unternehmen so gut da wie noch nie.“ Und das auch, sagt er, weil er sich zu 100 Prozent auf Christopher verlassen könne.
Produkte lassen entspannt in die Zukunft blicken
Natürlich sind es auch ihre Produkte, die die Firma „entspannt in die Zukunft blicken lassen“, wie Christopher sagt. Die von den Frieters’ entwickelte und patentierte Absauganlage „KlimaTower“ etwa wird mittlerweile in sämtlichen Wirtschaftszweigen verwendet. Das Gerät reinigt die komplette Umgebungsluft – zum Beispiel von Schweißrauch in Produktionshallen – und kühlt oder heizt ohne Rohrleitungen eine gesamte Halle. Ideen wie diese waren es, die dem Unternehmen europaweit den Durchbruch brachten.
Was es wohl für ein Gefühl war, da das Zepter abzugeben? „Na ja, so ganz habe ich es noch nicht abgegeben“, meint Oliver Frieters. Er ist noch zu 50 Prozent Geschäftsführer – sein jüngerer Sohn Niklas, sechs Jahre, soll diese Hälfte im Idealfall später mal übernehmen.
Die Arbeit ist anders
Dennoch gehen Vater und Sohn jeweils mit einem anderen Gefühl zur Arbeit als noch vor gut einem Jahr: „Mein Vater ist immer mehr im Außendienst, ich habe die Aufgaben im Büro komplett übernommen“, erzählt Christopher. „Und ich bin wesentlich entspannter, da mein Sohn mir auch viele Probleme abnimmt und meist gleich ohne mich löst“, ergänzt Oliver.
Und was ist Christophers Vision, jetzt, da er frischen Wind in die Führungsebene des Unternehmens gebracht hat? „Dass ich die Firma gut weiterführe und zum Bestmöglichen ausbaue. Und meinem Vater ein würdiger Nachfolger sein. Auf den er sich verlassen kann, auf den er stolz sein kann.“ Wenn man Oliver Frieters nach seinen Zukunftsplänen fragt – arbeiten, solange es ihm Spaß macht, die Sommer in Kroatien genießen, noch einmal ein Haus bauen, die Welt bereisen – wird klar, dass Christopher diesen Teil der Vision bereits erfüllt hat.
„Wir brauchen den Mut, größer zu denken“
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