Sepp Blatter: Zerbricht das Reich des Sonnenkönigs?
Die FIFA gib ein erbärmliches Bild ab. Sepp Blatter wird sich an seine Macht klammern. Möglicherweise ohne Erfolg.
In den Listen der angesehensten Berufe steht der Arzt meist ganz vorne. Kein Abrechnungsskandal, kein Kunstfehlerprozess kann die Menschen davon abbringen, in ihm das Gute zu sehen. Dahinter folgen Geistliche, Hochschulprofessoren, Lehrer und Feuerwehrleute.
Den hochrangigen Sportfunktionär mit internationalen Verbindungen sucht man unter den Top 10 vergeblich. Das hat damit zu tun, dass er als Beruf nicht existiert. Würde man für ihn eine Sonderregel schaffen, wie er das aus seinem Funktionärsleben gewohnt ist, müsste man am Ende der Reihe suchen. Irgendwo zwischen Zeitschriften-Drücker und nordkoreanischem Staatspräsidenten.
Wir kommen darauf, weil Sepp Blatter, der amtierende FIFA-Präsident, in jedem Fußballstadion furchtbar ausgepfiffen wird und der Fußball-Weltverband, der größte, mächtigste und reichste seiner Art, zur Wahl eines neuen Präsidenten aufgerufen hat.
Aber was heißt schon Wahl, wenn es nur einen Kandidaten gibt, Joseph S. (steht für Sepp) Blatter nämlich. Ein Alleinherrscher in einem scheinbar demokratischen System. Der Schweizer steuert es über Vorteilsgewährung, Kumpanei und als Schleusenwärter der endlosen Geldströme, die in seinem Reich fließen.
Delegierte kaufen ist einfach
Besonders aktiv wird dieses System, wenn Weltmeisterschaften zu vergeben sind. Nicht der beste Bewerber kommt dann ans Ziel, sondern derjenige, den Geld, Einfluss und ein besonderes Geschick des Korrumpierens auszeichnen. Wie einfach die Delegierten zu kaufen sind, haben Journalisten vor der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 erfolgreich getestet. Die Ethikkommission der FIFA, eine Art verlängerter Arm des Schweizer Sonnenkönigs, hat die Geschichte wieder geradegebogen, indem sie ihr ein Ethik-Papperl aufgeklebt hat. Dass die WM 2022 anschließend an den Wüstenstaat Katar ging, ist eine der größten Absurditäten, die das System Blatter hervorgebracht hat.
Dass der 75-jährige Sepp nun vier weitere Jahre regieren darf, scheint inzwischen nicht mehr so sicher. Geht alles den von Blatter festgelegten Weg, ist dessen vierte Amtszeit zwar nicht mehr zu verhindern, eine Revolution, ein Zusammenbruch des Systems aber brächten die Chance eines Neuanfangs. Was diese Hoffnung nährt: Im Augenblick bewerfen sich die Funktionäre auf einzigartige Weise mit Dreck. Vielleicht bricht das FIFA-Gebäude unter der Wucht der Schlammschlacht zusammen. Möge ein ordentliches Gericht später über die Herren befinden und ihnen ein zweiwöchiges Senioren-Turnier in Katar auferlegen.
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