Goldschwimmer Florian Welbrock hat im Wasser viel Zeit, nachzudenken
Florian Wellbrock war auf der 10-Kilometer-Distanz eine Stunde und 48 Minuten im Wasser. Dafür gabs Gold. Die Gedanken, die ihn auf dem Weg ans Ziel begleitet haben.
Wer eine Stunde und 48 Minuten lang schwimmt, hat viel Zeit zum Nachdenken. Zum Beispiel darüber, wie es denn sein würde, wenn er im Ziel als Olympiasieger aus dem Wasser stiege. Genau diesen Gedanken habe er sich aber bis ganz zum Schluss verboten, sagte Florian Wellbrock. „Weil sonst nimmt man unbewusst ein bisschen Tempo raus und ruht sich auf dem Sieg, der gleich kommen könnte, aus. Das wollte ich vermeiden und habe bis zum Schluss durchgepowert.“ Erst auf den letzten zehn Meter, als er sich sicher sein konnte, dass da keiner mehr vorbeikommt, habe er ihn zugelassen. Olympiasieger.
In seinem letzten Rennen in Tokio hat es Wellbrock geschafft
In seinem letzten Rennen in Tokio hat es Wellbrock geschafft. Auf der längsten olympischen Schwimmstrecke war er nicht zu schlagen und gewann nach einer beeindruckend souveränen Vorstellung Gold. Nur der Ungar Kristof Rasovszky konnte einigermaßen folgen und holte mit 26 Sekunden Rückstand Silber. Bronze ging an den Italiener Gregorio Paltrinieri.
Ganz vorne war aber schon sehr früh sehr klar, dass Wellbrock in seiner eigenen Liga schwimmt. Scheinbar mühelos setzte er sich sofort an die Spitze des Feldes und diktierte das Geschehen. Dabei habe er eigentlich ganz entspannt begonnen. Denn es sei ja tatsächlich sinnvoll, am Anfang eines solchen Marathonrennens Energie zu sparen. Zumal das Wasser mit rund 30 Grad deutlich wärmer war, als es Freiwasserschwimmer gewohnt sind. Also sei er locker losgeschwommen. So locker, wie ein Olympiasieger eben los schwimmt. „Ich bin in der ersten Runde um die Boje herum, habe nach hinten geschaut und mich gefragt: Jungs, wollt ihr keinen Wettkampf schwimmen heute?“ Denn er sah, dass das Feld bereits weit auseinandergezogen war. „Ich glaube, viele waren von der Wassertemperatur recht eingeschüchtert.“ Wellbrock dagegen fühlte sich gut und machte einfach weiter.
Erst auf der letzten der sieben Runden ist ihm warm geworden
Erst auf der letzten der sieben Runden sei ihm dann doch warm geworden. „Und hätte ich 100 Meter mehr schwimmen müssen, wäre es wohl knapp geworden, denn ich habe die letzte Verpflegung ausgesetzt – und da fehlt dir dann einfach die Flüssigkeit.“
Geprägt von den Erfahrungen aus den olympischen Beckenwettbewerben, als Wellbrock über 800 (4. Platz) und 1500 (Bronze) jeweils bis kurz vor Ende führte und dann übersprintet wurde, wollte er diesmal unbedingt vorne bleiben. Anders als im chlorklaren Pool ist es im Freiwasser mitunter etwas schwierig, den Überblick zu behalten. Auch noch auf der letzten Geraden, als am Ufer fast schon die Sektkorken knallten, „war ich mir nicht ganz sicher, ob da noch jemand hinter mir ist, den ich in der Hektik übersehen habe.“ Also ackerte Wellbrock mit allem was er hatte dem Anschlagbrett entgegen. „Ich wollte es nur noch ins Ziel bringen.“
Dort angekommen fiel die ganze Anspannung ab. Ein bisschen unwirklich sei das alles, sagte Wellbrock. Seit 2008 in Peking ist Freiwasserschwimmen olympisch, allerdings nur die Zehn-Kilometer-Distanz. Bei Weltmeisterschaften werden auch fünf und 25 Kilometer geschwommen. Bisher hatte nur Thomas Lurz Olympia-Medaillen im Freiwasser für den DSV geholt – Bronze 2008 und Silber 2012. Der Würzburger ließ aus der Heimat wissen, dass Wellbrock absolut verdient gewonnen habe. „Die Leistung war super und er hat das Rennen von Anfang an dominiert.“ Wellbrock ist der erste deutsche Olympiasieger in dieser Disziplin.
Im Becken ist ihm dieser Triumph verwehrt geblieben
Im Becken war ihm dieser Triumph verwehrt geblieben. Auch dort hatte er zum Kreis der Gold-Kandidaten gezählt. Tatsächlich habe er „ein bisschen Frust nach den Pool-Wettkämpfen“ verspürt. Das habe ihn aber für das letzte Rennen noch einmal extrem motiviert. „Ich wusste, dass ich die Medaille für den DSV schon geholt habe und ich nicht mehr allzu viel zu verlieren habe. Deswegen habe ich noch einmal alles reingeworfen und wurde mit einem recht souveränen Rennen und Gold belohnt – das fühlt sich unheimlich gut an.“
Nach der Siegerehrung war einer der seltenen Momente, in denen der stets sehr nüchtern und kontrolliert wirkende Wellbrock einen kleinen Einblick in seine Gefühlswelt gewährte. Er habe es gut geschafft, den Druck der Medien auszublenden. „Wellbrock startet dreimal und holt viermal Gold“, hätten die geschrieben. Ihn treibe ohnehin am meisten seine eigene Erwartungshaltung an. „Wenn man als Weltmeister anreist, dann will man natürlich gewinnen. Das sage ich aber in den Medien nicht, weil sie sonst noch mehr draus machen würden. Aber es hat mich motiviert, hier nochmal zu zeigen, dass ich zu den Besten der Welt gehöre.“ Das ist ihm gelungen.
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