Hamburger Olympiabewerbung: Nach dem Sturm
Die Olympia-Befürworter stellen sich vor allem eine Frage: Warum? Die Gegner feiern ihren Sieg. Sie haben eine Idee, wofür das eingesparte Geld verwendet werden sollte.
Gegen 19.30 Uhr fegten am Sonntag in Hamburg die ersten Sturmböen meterhohe Wellen über den Fischmarkt. Die Wetterfrösche der Stadt hofften noch, dass Überschwemmungen ausbleiben würden. Vergeblich.
Eineinhalb Stunden später hatte das Sturmtief auch das Rathaus erfasst. Dort waren um 21 Uhr alle Hoffnungen derer weggespült, die bis dato gehofft hatten, Hamburg könne sich für die Olympischen Spiele 2024 bewerben. Bürgermeister Olaf Scholz und Alfons Hörmann, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), zogen Gesichter wie bei einer Beerdigung. Die Gegner hatten es geschafft, die Hamburger davon zu überzeugen, gegen eine Olympia-Bewerbung zu stimmen.
Am Tag danach sind die Wellen und Überschwemmungen im Hafen zurückgegangen, die Welle der Enttäuschung der Befürworter hielt jedoch an. Sie alle fragen sich: Warum?
"Es ist ernüchternd, dass Hamburg den Mut verloren hat"
Einer, der in den vergangenen Wochen kaum noch Schlaf genießen konnte, ist Frederik Braun. Er initiierte vor drei Wochen im Hamburger Stadtpark die olympischen Ringe aus Menschen und im Februar die Menschenkette mit Fackeln an der Binnenalster. Auch die Nacht nach der Abstimmung ließ ihn nicht ruhen, weil den 47-Jährigen die Frage nach dem Warum so sehr beschäftigte. „Es ist ernüchternd, dass Hamburg den Mut verloren hat“, sagt der Unternehmer. Bei dem Warum, holt Frederik Braun aus, wisse er gar nicht, wo er anfangen solle.
Da sei die Bundesregierung, die die Hansestadt einfach im Stich gelassen habe, als es um Zusagen für die Finanzierung ging. Natürlich sei das niederschmetternd, weil Geldfragen für die Bürger immer eine Rolle spielten. In Zeiten der Skandale beim DFB und dem IOC, den terroristischen Angriffen auf große Sportveranstaltungen und der Flüchtlingskrise sei ein Sieg der Olympia-Befürworter immer schwerer geworden.
Flyer verteilen, Videos drehen, Menschen in Fußgängerzonen ansprechen und in sozialen Netzwerken mit Vorbehalten gegen Olympia aufräumen: Dafür hatte Braun in den vergangenen Wochen alles gegeben. Gestern, am Tag danach, musste der Unternehmer erst wieder in den Alltag zurückfinden. Von morgens bis abends standen Termine auf dem Programm. Hauptsache, den Kopf freibekommen.
Geld soll für Flüchtlinge, Inklusion, Breitensport und Wohnungsbau investiert werden
Eine Welle der Begeisterung dagegen bei den Olympia-Gegnern. Als das Ergebnis feststand, schwappte die Stimmung bei Arthur Brückmann und seinen Freunden über. Der Sozialökonomie-Student hatte für das Nein geworben. Bis drei Uhr nachts wurde gefeiert. Seine Stimme ist am Montagmorgen noch rau. Katerstimmung ist angesagt. „Die wird aber nicht lange anhalten, wenn man bedenkt, was wir gestemmt haben“, sagt Brückmann. Die Millionen an Euro seien auf der anderen Seite gelegen. Bei den Befürwortern, die Unmengen Geld in ihre Initiative gepumpt hätten. Brückmann ist erleichtert, dass man sich jetzt den wirklich wichtigen Dingen in der Stadt annehmen könne. Man habe ja nicht Nein gesagt, um einfach Nein gesagt zu haben. „An allererster Stelle wollen wir, dass der Senat das Geld für Flüchtlinge, dann Inklusion, Breitensport und Wohnungsbau in die Hand nimmt“, zählt Brückmann auf.
Noch vor Tagen erklärten die Verantwortlichen mit großem Stolz im Hafen, wo einmal was wie gebaut werde könne und wie das Stück südlich der Elbe dann mit neuem Glanz erstrahlen werde. Heute macht dies keiner mehr. Die Leuchtreklame „HH 2024“, die auf dem geplanten Olympia-Gelände erstrahlte, hat den Geist aufgegeben. Der Sturm hat auch dort nicht haltgemacht.
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