Schock für WM-Gastgeber: Absagen und Niederlagen
Berlin (dpa) - Schock für die Gastgeber: Eine Woche vor den 12. Weltmeisterschaften in Berlin hat die Absage von Marathon- Goldkandidatin Irina Mikitenko die deutsche Leichtathletik schwer erschüttert.
"Das schwächt unser Team natürlich erheblich", sagte der sichtlich um Fassung ringende Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Jürgen Mallow. Zudem gab es bei der WM-Generalprobe in Cottbus mehr Schatten als Licht, weitere Rückschläge und teils deftige Niederlagen für die auf 91 Athleten dezimierte DLV-Mannschaft.
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug die Hiobsbotschaft beim 20. Lausitz-Meeting ein, Mallow verkündete die Absage Mikitenkos auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Abend. Eine Stunde später kam das bittere Aus auch für 400-Meter-Hürdenläufer Thomas Goller: Beim deutschen Meister vom TV Wattenscheid brach eine alte Wadenverletzung wieder auf. Wenige Meter nach dem Start gab Goller auf. Die WM war für ihn vorbei, bevor sie am 15. August überhaupt begonnen hätte. Während für Mikitenko Europameisterin Ulrike Maisch (Rostock) ins ursprünglich 92 Athleten umfassende WM-Team nachrückt, muss der Startplatz von Goller unbesetzt bleiben.
Sorgen machen auch die starken Männer: Kugelstoß-Europameister Ralf Bartels reichte ein gültiger Versuch von 20,42 Meter zum Sieg, wegen Schmerzen im Ellenbogen wollte der Neubrandenburger dann nichts mehr riskieren und packte seine Sachen nach dem ungültigen zweiten Versuch zusammen. "Ich bin gut in Form", versicherte der 31-Jährige dennoch. "Vielleicht ist es nur so, dass man jetzt mehr in seinen Körper hineinhorcht als früher." Ein Fragezeichen steht hinter Bartels' Kollegen Peter Sack: Den Leipziger plagt eine Kapselverletzung an der Stoßhand.
Mikitenkos überraschende Absage ist für den DLV bislang der härteste Schlag ins Kontor, doch nicht der erste Ausfall von vermeintlich sicheren WM-Kandidaten und bereits nominierten Berlin-Startern. Die Zehnkämpfer André Niklaus und Michael Schrader sind verletzt, nicht dabei sind auch Kugelstoßerin Petra Lammert, Hürdensprinter Thomas Blaschek, Hochspringer Eike Onnen und Goller. Das über Jahre bewährte Stabhochsprung-Duo Tim Lobinger/Danny Ecker hat sich erst gar nicht qualifiziert. Unter rätselhafter Formschwäche leidet die dreifache Diskuswurf-Weltmeisterin Franka Dietzsch und seit Wochen auch Speerwerferin Christina Obergföll, in Peking als Olympia-Dritte die einzige Medaillengewinnerin des DLV.
"Wir bleiben trotzdem optimistisch, weil wir insgesamt eine gute Ausgangsposition haben", versicherte Mallow und zog angesichts des Bundesliga-Starts einen Vergleich zum Fußball: "Auch ein richtig guter Fußballclub gewinnt nicht jedes Spiel - es gibt auch unnötige Remis und bittere Niederlagen." Den stattlichen Umfang des deutschen Teams erklärte der Sportdirektor kurz und knapp: "Die Mannschaft ist deshalb so groß, weil die deutsche Leichtathletik einfach besser ist."
In Cottbus war davon allerdings kaum etwas zu sehen. Hammerwurf-Weltmeisterin Betty Heidler und Speerwerferin Steffi Nerius mussten Niederlagen einstecken. "Da gilt dann hoffentlich der Slogan: Schlechte Generalprobe, starke WM. Eine Medaille zum Abschied wäre ein Traum für mich", sagte Europameisterin Nerius, die mit 62,21 Metern die Südafrikanerin Sunette Viljoen (63,02) auch im letzten Versuch nicht mehr übertrumpfen konnte.
Heidler steigerte sich im letzten Durchgang zwar noch auf 73,76 Meter, musste sich aber der Polin Anita Wlodarczyk klar geschlagen geben: Die Olympia-Sechste schob sich mit der Jahresweltbestweite von 77,20 Metern in die Favoritenrolle für die WM. Gastgeber-Siege gab es für die WM-Starter Bartels und Stabhochspringer Björn Otto, der sich aber erst im Stechen mit 5,65 Meter gegen den Briten Steven Lewis (5,60) durchsetzte.
Für das Highlight sorgte bei strahlender Sonne die US-Frauenstaffel: Mit der besten Zeit über 4 x 100 Meter seit zwölf Jahren (41,58 Sekunden) schrammten Lauryn Williams, Allyson Felix, Muna Lee und Carmelita Jeter nur um 21/100 am 24 Jahre alten Weltrekord einer DDR-Staffel vorbei.
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