
Amerell: Ankläger und Beschuldigter

Der Schiri-Skandal um Amtsmissbrauch und sexuelle Belästigungen wird immer unappetitlicher - und der DFB kann nur hilflos zusehen. Zwei Schiedsrichter wollen jetzt gegen Amerell vor Gericht gehen.
Der Schiedsrichter-Skandal um Amtsmissbrauch, sexuelle Belästigungen und Erpressung wird immer unappetitlicher - und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kann nur noch hilflos zusehen.
Der größte Sporteinzelverband der Welt und sein Präsident Theo Zwanziger laufen seit dem Hilferuf von Jung-Referee Michael Kempter Mitte Dezember des Vorjahres der Krise hinterher. Eindämmen aber können sie die Schlammschlacht trotz eines außergerichtlichen Vergleichs mit dem von insgesamt fünf Schiedsrichtern belasteten Manfred Amerell weiter nicht. Das Thema sei von Anfang an "falsch angefasst" worden, kritisierte Werder-Manager Klaus Allofs am Sonntag im DSF: "Ich glaube, dass sich der DFB da ein wenig überschätzt hat. Die Dinge gehören woanders hin", betonte der Bremer.
Amerell macht den DFB inzwischen sogar zu seinem Spielball. Mit der Veröffentlichung einer Mail, die von Kempter zum Thema FC Bayern München stammen soll, verhinderte er das geplante Comeback des jungen Unparteiischen. Die Namen der drei weiteren Referees, denen vom Verband Anonymität zugesagt wurde, hat Amerell in seinen Händen und er will Schadenersatzklagen stellen. "Die Namen werden zur Staatsanwaltschaft gehen", hat Amerell bereits angekündigt.
Die Liga ist längst alarmiert, will am Freitag auf der nächsten DFB-Präsidiumssitzung Antworten auf brennende Fragen. Möglicherweise gibt es schon am 30. April einen Außerordentlichen Bundestag, auf dem es nicht nur um die Erneuerung des arg ramponierten deutschen Schiedsrichterwesens, sondern auch um die Zukunft von Verbandschef Zwanziger gehen könnte. In der Öffentlichkeit werden längst Modelle mit einem DFB-Präsidenten Franz Beckenbauer diskutiert. "Das muss nicht unbedingt die Konsequenz sein, aber man muss daraus lernen", sagte Allofs. Zwanziger steht nach dem erneuten Wettskandal, den mit viel Getöse und einer beispiellosen Eiszeit geplatzten Vertragsverhandlungen mit Bundestrainer Joachim Löw und der Schiedsrichter-Affäre in der größten Krise seiner Amtszeit.
Zwanziger selbst hatte schon seinen Rücktritt angeboten, falls er und der DFB die juristische Auseinandersetzung mit Amerell verlieren würde. Trotz des Vergleichs ist das weiter offen: Amerell wies am Wochenende erneute alle Vorwürfe zurück, warf Kempter Lügen vor. "Ich habe noch genügend Munition gegen ihn. Wenn er nicht aufhört zu lügen, kann ich ihm ungefähr hundert weitere Mails zeigen. Oder ich werde auf Wunsch den Ordner mit den Mails FIFA, UEFA und dem DFB zur Verfügung stellen", warnte Amerell. Die Fans schütteln nur noch den Kopf: Der Mann, der sein Amt im Schiedsrichterausschuss nach Meinung des DFB über Jahre missbraucht hat, wird immer mehr zum Ankläger.
Kempter selbst prüft derzeit, ob die von Amerell öffentlich gemachte "Bayern-Mail" wirklich von ihm stammt. "Erinnern kann ich mich nicht daran, sie soll ja aus dem Jahr 2007 stammen", sagte Kempter der "Welt" (Montag). Wegen der Mail, in der es heißt: "Gleich spielen die Bayern. Hoffentlich fliegen sie raus. Dann können wir darauf anstoßen", hat der DFB-Kontrollausschuss Prüfungen angekündigt. Das für diesen Sonntag vorgesehene Comeback von Schiedsrichter Kempter in der 2. Bundesliga war abgesetzt worden.
"Wenn ich doch so etwas geschrieben haben sollte, dann ist diese Aussage unbedacht gefallen. In diesem Fall werde ich mich bei den Verantwortlichen persönlich dafür entschuldigen", übermittelte nun Kempter, der wie vier weitere Referees Amerell sexuelle Belästigung vorwirft. Er habe die Bayern immer sehr gern gepfiffen, "weil dieser Verein hochprofessionell geführt ist." Von fünf Bundesliga-Spielen unter Kempters Leitung hat Bayern vier gewonnen, eines endete 0:0.
Unterdessen kündigten laut Bild zwei Schiedsrichter an, am Dienstag Strafanzeige gegen Amerell stellen zu wollen - wegen sexueller Nötigung.
Die Diskussion ist geschlossen.