DFB-Team bezwingt Wales - Löw: "fast maximal"
Cardiff (dpa) - Die Wohlfühl-Zigarette danach in den Katakomben des Millennium-Stadions ließ sich Joachim Löw nicht nehmen, trotz des heftigen Disputs zwischen Lukas Podolski und Michael Ballack sieht der Bundestrainer sein Team auf bestem Weg nach Südafrika 2010.
"Wir haben 16 von 18 möglichen Punkten. Und haben noch vier ausstehende Spiele. Nach so einem Turnier-Jahr ist das fast maximal", erklärte ein beruhigter Löw nach dem "enorm wichtigen" 2:0 der deutschen Nationalmannschaft in Wales. Wenngleich gegen die in ihren Möglichkeiten einschränkten Briten wie schon zuvor gegen den Fußball-Zwerg Liechtenstein der große spielerische Glanz fehlte. Die Handgreiflichkeit von Podolski gegen Kapitän Ballack blieb ohne Strafen, Löw beschäftigte sich lieber mit der sportlichen Lage.
"Russland hat gerade so 1:0 gewonnen gegen Liechtenstein. So eine Qualifikation ist nicht so einfach. Da ist es wichtig zu gewinnen", fasste der 49 Jahre alte DFB-Chefcoach die beiden jüngsten Pflicht- Erfüllungen zusammen, die nun den großen Kontrahenten (12 Punkte) um den Gruppensieg und das Direkt-Ticket zur Weltmeisterschaft in Zugzwang bringen. "Ich gehe nicht davon aus, dass Russland alle Spiele gewinnt", sagte Löw. Vor der der viermonatigen Qualifikations- Pause bis zur Partie in Aserbaidschan am 12. August musste er sich allerdings doch noch mit dem unerfreulichen Gerangel im eigenen Team auseinandersetzen.
Nach 67 Spielminuten waren der einstige WM-Held Podolski und Chef Ballack wegen einer Aufforderung des Kapitäns aneinandergeraten. Auch wenn die Handgreiflichkeit des Münchner Stürmers Richtung Ballack keinesfalls dramatisch war, schritten die Kollegen Lahm und Mertesacker rasch ein, um Schlimmeres zu verhindern. Noch in der Nacht nach dem Spiel bestellte Löw das komplette Team und speziell die Streithähne zum Schlichtungsgespräch. "Es ist wichtig, dass das innerhalb von drei Minuten ausgeräumt war und beide sich ausgesprochen hatten. Dass da nichts mehr nachhängt", erklärte Team- und Krisenmanager Oliver Bierhoff auf dem Rückweg nach Deutschland.
"Er war leider anderer Meinung; und dann noch handgreiflich zu werden, ist nicht schön", berichtete Ballack, der Zuspruch von der sportlichen Leitung erhielt. "Wenn der Kapitän taktische Anweisungen gibt, ist darauf auch zu hören", betonte Löw, der sich selbst mit Ballack im vorigen Herbst eine verbale Auseinandersetzung geliefert hatte. Nichts kann der Bundestrainer weniger gebrauchen als einen neuen Konfliktherd, zumal nach den beiden Pleiten gegen England und Norwegen das Pflänzchen Hoffnung nun langsam wieder wächst. Eine Strafe für Podolski war so auch kein Thema. "Da ist nichts. Diese Mannschaft ist intakt", betonte DFB-Präsident Theo Zwanziger und wollte den Disput nicht weiter beleuchten: "Das ist nicht das Wesentliche, das Wesentliche ist, dass wir drei Punkte haben."
Von einem Team auf höchstem Niveau oder gar von einem WM- Titelanwärter ist die aktuelle DFB-Auswahl allerdings noch weit entfernt, Löw muss auch nach dem erfolgreichen Frühlings-Doppelpack reichlich Baustellen bearbeiten. Die anstehende Asien-Reise vom 26. Mai bis 3. Juni kann da wohl nur wenig helfen, denn angesichts der Verpflichtungen von zahlreichen Nationalspielern mit ihren Clubs wird Deutschland die Testspiele in China und den Vereinigten Arabischen Emiraten wahrscheinlich nur mit einem besseren Not-Team bestreiten.
In der Abwehr fahndet Löw noch immer nach einer Ideallösung, der junge Stuttgarter Innenverteidiger Serdar Tasci (21 Jahre) wackelte in Wales ebenso heftig wie der Hoffenheimer Rechtsverteidiger Andreas Beck (22). Im Mittelfeld brachte auch die EM-Lösung mit der "Doppel- Sechs" Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes sowie den davor agierenden Bastian Schweinsteiger, Ballack und Podolski nur selten Kreativität, Überraschungen und Pfiff. Und im Angriff wartet Mario Gomez (48. Minute) trotz seines "halben Treffers" nun schon ein Jahr und 733 Spiel-Minuten auf ein Tor-Erlebnis im Nationaltrikot.
Während Kapitän Ballack frühzeitig mit einem wuchtigen 32-Meter- Schuss zum 1:0 (11.) die Weichen stellte, fiel Podolski vor 26 000 Besuchern in Cardiff nur durch seinen Ausraster auf. "Er war mit sich selbst unzufrieden, ihm ist nicht so viel gelungen, aber da muss er durch. Es gibt eben Spiele, da geht nicht so viel nach vorne, dann kriegt man auch noch verbal eine mit. Das muss man wegstecken, da muss er lernen draus und darf nicht so reagieren", betonte der 32- jährige Ballack. "Ich bin einer, der Emotionen zeigen kann. Solche Dinge werden intern geklärt", entgegnete der Noch-Münchner Podolski.
Streicheleinheiten verteilte Löw trotz des Streits in den eigenen Reihen. "Die letzten zehn Tage waren enorm wichtig für uns, weil manche Dinge aufgearbeitet und analysiert worden sind", sagte der Bundestrainer, bevor er sein Personal erst einmal zum Saison-Endspurt zurück zu den Clubs gab und selbst in schwierige Planungen geht. "Man muss sehen, wer zur Asien-Reise mitfährt, das ist ein schwieriger Zeitpunkt und ich hoffe, dass ich dabei bin", verabschiedete sich Robert Enke mit der Gewissheit, einige Punkte im Kampf um die Nummer 1 im deutschen Tor gesammelt zu haben. Vielleicht kann Löw zumindest diese Baustelle schneller schließen als angekündigt.
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