FCA-Klassenerhalt: Die Party hat Verspätung
Rund 1000 Fans begleiteten den FC im Sonderzug nach Mönchengladbach. Der Klassenerhalt des FC Augsburg wurde weniger ausgelassen gefeiert als erwartet. Etwas anderes überwog.
8.41 Uhr. Der Zug Richtung Augsburg setzt sich in Bewegung. Jetzt wird – nein, jetzt muss sie steigen: die Klassenerhaltsparty. Rund 1000 FCA-Anhänger sind früh aufgestanden. Seit morgens um 5.48 Uhr begleiten sie ihre rot-grün-weiße Liebe im Sonderzug, noch länger, seit Saisonbeginn, haben sie diesem einen Moment entgegengefiebert. Seit etwa eineinhalb Stunden steht fest: Der FC Augsburg hat das Wunder vollbracht, hat die erste Liga gehalten. Ein Erfolg, mindestens so hoch einzuschätzen wie der Aufstieg im vergangenen Sommer.
Doch kaum hat sich der Tross mit seinen 13 Waggons im antiquierten Charme der 70er Jahre in Bewegung gesetzt, herrscht gespenstische Ruhe. Nur das monotone Motorengeräusch der alten Diesellok, die rollenden Wagen und das Rauschen des Windes durchdringen sie. Die FCA-Fans sind müde, erleichtert, erschlagen, vor allem aber auch ergriffen. Keine Siegeslieder. Keine Parolen. Keine Schmähgesänge. Es wird nicht ekstatisch gefeiert, vielmehr nehmen sich langjährige Wegbegleiter des FC Augsburg Zeit, zurückzublicken.
Fans blicken auf der Rückfahrt auf die Entwicklung des Vereins
Der Fanklub „Billy Boys“ zählt zu den alteingesessenen FCA-Fans, zu denen, die nicht mehr an vorderster Front bei den Spielen agieren. Sie wollen unter sich sein. Auch im Abteil. In gediegener Runde wird angestoßen, wird die Vereinspolitik gelobt, werden Spieler hervorgehoben. „Ganz wichtig war auch die Symbiose zwischen Mannschaft und Fans“, betont „Billy Boy“ Markus Krapf, der ehemalige FCA-Geschäftsführer. Die sechs Herrschaften auf ihren gepolsterten Sitzen sind sich einig: Das Image des FCA hat sich gewandelt – von der grauen Maus zum anerkannten Bundesligisten, dessen Leidenschaft in der gesamten Liga honoriert wird. Nach dem 2:1-Erfolg in Wolfsburg seien sie noch „wie Gummibärchen durch die Gegend gehüpft“, erzählen sie, jetzt, im Moment des Klassenerhalts, würde es noch etwas dauern, bis sie den Erfolg begriffen hätten.
Die Fan-Helden sind müde. Wer nicht zusammengekauert in seinem Abteil döst oder tief schläft, unterhält sich leise und steht in den engen Gängen. Bei geöffneten Fenstern lassen sich die Fans den Wind ins Gesicht blasen, blicken hinaus und schwelgen in Erinnerungen. Sie genießen den Augenblick. Einer von ihnen ist Torsten Zimmermann. „Das ist einfach ein gutes Gefühl“, beschreibt das Mitglied des Fanklubs „Lechwieskickers“ sein Inneres. Er sei in dieser Saison nicht bei jedem Auswärtsspiel dabei gewesen. „Jetzt habe ich die Möglichkeit, zu den Mannschaften zu fahren, wo ich noch nicht war“, fügt er hinzu. Dortmund. Schalke. Hamburg. Der FCA spielt weiter in den traditionsreichen Fußball-Hochburgen Deutschlands.
Enrico Blach hat sich vor acht Jahren dem FCA angeschlossen. Mit seiner mächtigen Trommel sorgt der „Homeboy“ im Fanblock für rhythmischen Lärm. Müdigkeit lässt sich in seinem Gesicht erkennen, aber auch ganz viel Stolz. „Wenn man sich überlegt, wie alles angefangen hat“, sagt er. Jedes Jahr habe sich der Verein Schritt für Schritt weiterentwickelt. „Für mich könnte es immer so weitergehen“, sagt Blach.
Zwei Party-Wagen sind zwischengeschaltet. Die Disco-Areas trennen die hartgesottenen „Ultras“ beim mehrere hundert Meter langen Zug von den Otto-Normal-Fans. Der Zigarettenrauch wird dichter, der PVC-Boden klebriger, die Gänge noch enger, je näher der abgedunkelte Bereich rückt. Jetzt aber. Party. Wenn nicht hier, wo dann. Falsch gedacht. Keine Klassenerhaltsparty. Ein paar nackte, tätowierte Oberkörper schwofen auf der Tanzfläche zu harten Klängen, ein paar FCA-Gefolgsleute mittleren Alters kippen an der Theke Bier und Jägermeister hinunter. Das war’s.
Auf der Hinfahrt war mehr los. In den Party-Waggons, den Abteilen, dem gesamten Zug. Da hatten Anna Hörmann und Alex Wohlrab (beide Fanprojekt Augsburg), Alexander Edin (FCA-Fanbeauftragte) und die 14 Ordner mehr zu tun: Gezogene Notbremse Höhe Heidelberg. Zerbrochene Scheiben am DJ-Pult. Eine gezündete Rauchbombe in Gladbachs Bahnhof. Zwischenfälle, die Edin und Co. kaum aus der Ruhe bringen. Alltag für sie. „Alles gut“, sagt er deshalb, als er am Sonntagmorgen um 1.58 Uhr den Sonderzug verlässt. Der Zug ist pünktlich, die Party hat Verspätung. Wie die Ameisen wuselten die Fans, bepackt mit Getränkepaletten und Plastiktüten, samstagmorgens noch Richtung Sonderzug. Nun, nach insgesamt rund 15 Stunden im Zug, zerstreuen sie sich innerhalb von Sekunden. Gefeiert wird in dieser Nacht nicht mehr. Am nächsten Samstag, beteuern viele, dafür umso mehr.
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