Nando Rafael: Besondere Beziehung zur Hertha
Für Nando Rafael war Hertha BSC Berlin der erste Verein in Deutschland. Am liebsten wäre es ihm, wenn neben dem FC Augsburg auch die Berliner (ab 12.45 Uhr im Liveticker) aufsteigen würden. Von Robert Götz
Nando Rafael (26) ist vor dem Heimspiel am Samstag (13 Uhr) gegen Hertha BSC Berlin einer der gefragtesten Fußball-Profis des FC Augsburg.
Hier ein Radio-Interview, dort eine Anfrage für ein Gespräch. Kein Wunder, der Stürmer ist einer der wenigen Berührungspunkte, die es vor dem Gipfeltreffen der zweiten Bundesliga gibt. Denn der Hauptstadtverein spielt in seinem Selbstverständnis normalerweise in einer anderen Liga als der FCA. Gut, der FC Augsburg holte vor der vergangenen Saison Ibrahima Traoré für ein Butterbrot von der Hertha nach Augsburg, doch daran erinnern sich die Berliner nicht so gern. Zudem ist Traoré, der in Berlin anscheinend vollkommen verkannt wurde, derzeit verletzt.
Da sind die Erinnerungen an Nando Rafael doch viel positiver besetzt. Als der Stürmer 2002 von Ajax Amsterdam zur Hertha kam, begann die große Ära der Neuzeit. Hertha gehörte zur Crème de la crème der Bundesliga. Rafael wurde mit dem Hauptstadt-Klub Ligapokalsieger (2002), einmal Vierter (2005) und einmal Fünfter (2003). Er absolvierte 70 Punktspiele und erzielte dabei 16 Tore für die Hertha. "Es war eine super Zeit. Ich habe dem Verein viel zu verdanken", sagt Rafael.
Der frühere Bayern-Profi Sören Lerby vermittelte Rafael zur Hertha. 18 war Rafael damals, und eigentlich meinte es das Schicksal gar nicht gut mit ihm. Wieder einmal nicht. Denn als der gebürtige Angolaner volljährig wird, muss er eine Arbeitserlaubnis vorweisen, um einen Profivertrag bei Ajax Amsterdam unterschreiben zu können. Doch dieses wichtige Papier bekommt er nicht. Rafael muss die Niederlande verlassen. Das Land, das ihm nach traumatischen Erlebnissen in seiner Kindheit Heimat geworden war.
Als er zehn ist, werden seine Eltern im Bürgerkrieg ermordet. Sein Onkel, mit 18 selbst fast noch ein Kind, holt ihn nach Amsterdam. Zuerst kommt Rafael ins Heim, dann entdeckt ihn Ajax. Er durchläuft alle Jugendteams. Der damalige Sportdirektor Arie van Eijden attestiert ihm das Zeug zum Weltstar. Das alles hilft nicht.
In Berlin kümmert man sich um Rafael. "Ich war 18 und alleine in einer Weltstadt", erinnert er sich an die schwere Zeit. Der damalige Hertha-Manager Dieter Hoeneß kümmert sich um den Vollwaisen. Er hilft Rafael, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen.
Rafael blüht auf, wird U-21-Nationalspieler, steht mit Marcelinho, später mit dem Serben Marko Pantelic und mit dem jetzigen Manager Michael Preetz auf dem Platz. Doch nach drei Jahren zeigt seine Formkurve nicht mehr nach oben. Der damalige Trainer Falko Götz moniert seine Berufseinstellung, plötzlich ist Rafael nur noch Stürmer Nummer vier hinter Pantelic, Okoronkwo und Dejagah. Er ist enttäuscht und wechselt Anfang 2006 zu Borussia Mönchengladbach.
Im Rheinland lernt ihn sein jetziger Trainer Jos Luhukay kennen und schätzen. Wieder so eine Begegnung, die später noch eine wichtige Wendung in seinem Leben geben sollte. Rafael steigt mit der Borussia ab und auf. Er fühlt sich aber nicht mehr wohl und geht nach Dänemark. "Ich wollte wieder spielen", sagt Rafael. Fußball-Deutschland vergisst ihn schnell. Bis auf Jos Luhukay.
Als der FCA in der Winterpause der vergangenen Saison noch Aufstiegschancen hat, leiht sich Luhukay Rafael für ein halbes Jahr aus. In zehn Spielen erzielt er vier Tore. Der FC Augsburg scheitert aber in der Relegation am 1. FC Nürnberg. Rafael muss verletzt zuschauen. Er kehrt nach Dänemark zurück. Er hat noch einen Vertrag. Doch sein Verein, Aarhus GF, hat finanzielle Probleme, kann sich Rafael nicht mehr leisten. Rafael will zum FCA und der FCA will ihn. "Für mich war klar, ich wollte zurück nach Augsburg", sagt Rafael. Andere Alternativen kamen für ihn und seine Familie nicht infrage. "Ich wusste, was ich wollte", sagt er. Er hat jetzt Verantwortung. Der FCA zahlt pünktlich und nicht schlecht. Die sportlichen Perspektiven stimmen. Jetzt lebt er mit seiner Frau Laura und seinen Kindern Chelsea und Kenzo in Diedorf (Lkr. Augsburg). "Für die Kinder ist es ideal", sagt Rafael.
Für ihn, der so früh keine Familie mehr hatte, ist seine Familie das Wichtigste. Rafael fühlt sich geborgen. Er zahlt das Wohlbefinden mit Toren zurück. Rafael hat eine gute Physis, ist ballsicher und schnell. Und hat mit 26 die Erfahrung von 100 Bundesligaspielen.
Neun Treffer hat er bisher erzielt, drei mehr als Michael Thurk. Er trägt maßgeblich Anteil daran, dass es am heutigen Samstag beim Vorrundenfinale zum Showdown in der Impuls-Arena kommt. Der FCA steht vor Hertha. Für Rafael ist es ein Rätsel, wie die Hertha überhaupt in die Zweitklassigkeit abrutschen konnte. Doch bis Samstagnachmittag hält sich sein Mitleid in Grenzen. Nach acht Spielen in Folge ohne Niederlage hat man beim FCA genug Selbstvertrauen getankt, aber man ist nicht überheblich geworden. Rafael sagt: "Wir wollen als Sieger vom Platz gehen und auf Platz eins überwintern. Wir wissen aber auch, dass man gegen Hertha verlieren kann." Am liebsten wäre es ihm, wenn beide Klubs aufsteigen würden. Doch er ist Realist und sagt: "Für Hertha ist es fast ein Muss, für uns ist es ein Wunsch." Von Robert Götz
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