Xhakas Provokation gegen Serbien und die unnötige Bürde
Mal wieder spielt Granit Xhaka bei der Schweizer Nationalmannschaft den Provokateur, der seine eigene Familiengeschichte zum Thema macht - das hilft vor dem Viertelfinale gegen Portugal nur bedingt.
Vordergründig schien am Sonntag wieder alles in Ordnung auf dem Trainingsgelände der Schweizer Nationalmannschaft. Die Zufahrt zum riesigen Universitätskomplex von Doha zum "Team Swiss" kontrollierten die Wachleute penibel, selbst an den blickdichten Planen war Aufsichtspersonal postiert.
Dahinter trainierten mit Blick auf die im Sonnenlicht glänzenden Hochhaustürme die Akteure, die im WM-Achtelfinale gegen Portugal (Dienstag 20 Uhr) zum ersten Mal seit der WM 1954 im eigenen Land wieder die Tür zu einem Viertelfinale aufstoßen können. Fürwahr historische Perspektiven, die allemal ein Geheimtraining in Katar rechtfertigen. Aber hintergründig brennt schon wieder ein Störfeuer, das eigentlich niemand braucht.
Schon 2018 hatte Xhaka mit seiner Doppeladler-Geste für Aufsehen gesorgt
Angezündet hat es erneut Granit Xhaka; und das wieder bei einem WM-Spiel gegen Serbien (3:2). Ausgerechnet der Kapitän, der zu Turnierstart noch mit treuherzigem Augenaufschlag verkündet hatte, dass er ruhiger geworden sei, spielte den Unruhestifter. Haben die bis in höchste Regierungskreise reichenden Verwerfungen mit der Doppeladler-Gestik, die er zusammen mit Xherdan Shaqiri bei der WM 2018 gegen Serbien (2:1) zeigte, nicht genügt? Im Anschluss verloren die Eidgenossen prompt das Achtelfinale gegen Schweden (0:1) - die Bürde aus den Debatten tat ihnen nicht gut.
Am Freitagabend bekamen die meisten Zuschauer gar nicht mit, wie sich der 30-Jährige in der zweiten Halbzeit einmal vor der serbischen Bank in den Schritt griff - und damit tumultartige Reaktionen auslöste. Dessen Cheftrainer Dragan Stojkovic soll sich zuvor bei der zwischenzeitlichen 2:1-Führung böse Beleidigungen erlaubt haben. Hat der 110-fache Nationalspieler Xhaka mit seinen kosovarischen Wurzeln das gehört?
Der 30-Jährige zog sich nach einem starken Spiel demonstrativ das Trikot seines Teamkollegen Ardon Jashari über. Der Name des Ersatzspielers prangte auf Xhakas Brust. Der 20-Jährige vom FC Luzern hat denselben Nachnamen wie ein Unabhängigkeitskämpfer, der als Mitbegründer der kosovarischen Befreiungsarmee UÇK und als Symbolfigur des militärischen Widerstands gegen die Serben gilt. Er und seine Familie kamen bei einer Operation serbischer Spezialeinheiten 1998 ums Leben.
Die Fifa wird wohl keine Ermittlungen gegen Xhaka einleiten
Xhakas Vater wurde in den 80er Jahren im damaligen Jugoslawien festgenommen und monatelang gefoltert, ehe er in die Schweiz floh. Arbeitet sich der Stratege vom FC Arsenal immer noch an der eigenen Familiengeschichte ab? Er hat offenbar sehr bewusst eine Grauzone betreten, die vom Weltverband Fifa eigentlich nicht belangt werden kann. Bislang sind auch keine Ermittlungen eingeleitet. Anders als bei der "One-Love"-Binde ist das Tragen eines Mitspielertrikots nicht verboten. Auf seine nächste Provokation in der Pressekonferenz angesprochen, betonte Grenzgänger Xhaka, dass Jashari ein junger Spieler sei, mit dem er sich sehr gut verstehe: "Ich habe ihm vor dem Spiel gesagt, dass ich sein Trikot anziehe, wenn ich ein Tor schieße oder wir gewinnen."
Ein Schelm, der Böses dabei denkt? Der Schweizer Anführer nimmt billigend in Kauf, dass er schon wieder die nächsten Gräben aufreißt. In Serbien und im Kosovo wurde seine Aktion natürlich völlig unterschiedlich gewertet. Es ehrt insofern den Schweizer Fußball-Verband, dass er am Sonntag den vor vier Jahren in die Affäre involvierten Shaqiri in eine überfüllte Mixed Zone am Rande des Trainingsplatzes entsandte. Um Statements zu den Vorfällen im Stadium 974 kam der 111-fache Nationalspieler natürlich nicht umhin. Vor seiner Antwort legte der 31-Jährige die Stirn in Falten, ehe er dem Reporterpulk sagte: "Ihr macht das größer als es ist. Granit weiß selbst, was er gemacht hat. Ich denke nicht, dass er einen Extra-Gruß an jemand schicken wollte." Er selbst hatte sich bei seinem Führungstor im Stadium 974 darauf beschränkt, den Finger demonstrativ auf seine Lippen zu legen. Kollege Xhaka reichten solche Gesten nicht.
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht in der Kritik, auch in der Redaktion haben wir ausführlich darüber diskutiert. Eine Einordnung, warum wir das Sportevent dennoch ausführlich journalistisch begleiten, lesen Sie in diesem Text.
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Politik hat nichts im Sport verloren.
Ich verstehe den Herrn Xhaka nicht, wenn er so ein großer Patriot ist dann sollte er für die Albanische Mannschaft spielen und nicht für die Schweizer.
Hoffentlich hören die Spieler in Zukunft auf zu Zündeln damit wir alle einfach eine schöne WM genießen können.
Das „Politik im Sport nichts verloren hat“ ist eine Binse. Aber als Regenbogen-Binden-Nicht-Träger steht es uns einfach nicht an, das Handeln anderer zu bewerten.
Und Xhaka ist klar für welche Nationalmannschaft er spielt. Wohl klarer als so machen „Meinem-Geliebten-Präsidenten-die Hand-Schüttler“ bei uns.
Aber stellen sie sich vor, Holocaust-Überlebende oder ihre Kinder hätten in den 50er Jahren gegen Deutschland antreten müssen, und wären von diesen Deutschen wüst beschimpft wurden. Wahrscheinlich wäre es nicht bei ein wenig Eierkraulen geblieben.
"Aber stellen sie sich vor, Holocaust-Überlebende oder ihre Kinder hätten in den 50er Jahren gegen Deutschland antreten müssen"
Sie übertreiben. Wie kann man den Holocaust mit den Jugoslawischen Bürgerkrieg Vergleichen? Und nach dem WW2 haben sehr wohl die überfallenen Länder gegen Deutschland in der WM gespielt.
In Wien zogen Serben mit Gesängen: „Schlachtet Albaner!“ durch die Stadt und randalierten. Besser kann man nicht illustrieren, warum Granid Xhaka so geladen ist. Die Serben sind der Aggressor. Das kann man so ganz nebenbei darstellen, wenn man schon unbedingt den Kopf der Schweizer Nati hier in der AZ unbedingt kritisieren will.
Aber das ist hier genau so wenig Thema wie die blutigen Ausschreitungen von Marokkanern in Belgien und den Niederlanden. Es könnte ja ganz andere Probleme als eine Regenbogenbinde thematisieren. Aber das könnte wohl „den Falschen“ nützen.
Prima gemacht, danke für die klaren Worte!