Wembley-"Kronzeuge" Hans Tilkowski ist 75
Herne (dpa) - Er ist der "Kronzeuge" des berühmten Wembley-Tores von 1966: Hans Tilkowski, der im Finale der Fußball- Weltmeisterschaft zwischen England und Deutschland (4:2) so nah dran war wie kein anderer, als Geoff Hurst für die Gastgeber das umstrittene 3:2 gelang.
Am Montag feierte der ehemalige Nationaltorwart seinen 75. Geburtstag. "Mir geht es gut", sagte der Jubilar der Nachrichtenagentur dpa. Eine Bypassoperation 2009 hat er "richtig gut überstanden. Und sonst halt so die kleinen Wehwehchen" - Tilkowski spürt zwar die Jahre, doch optisch sind ihm die 75 keineswegs anzusehen.
Am Montag war "Tag der offenen Haustür" in Herne, wo Tilkowski mit Frau Luise lebt. "Das kann man getrost so sagen." Wer kam und klingelte, wurde eingelassen - aber wer das war, wollte der Jubilar nicht preisgeben. Nur eines offenbarte er frank, frei und gern: "Meine Heimatstadt Herne gibt am 1. September einen Empfang." In Herne ist ein Lehrinstitut nach ihm benannt, die "Hans-Tilkowski-Schule" an der Neustraße 16 trägt seit 2008 seinen Namen.
Der Fußball lässt ihn nicht los: "Von der Weltmeisterschaft in Südafrika habe ich alles gesehen." Auch die Auftritte seiner sportlichen Erben, denen er eine "gute WM" bescheinigt: "Ich habe mitgezittert." Und mitgelitten, weil das Team von Joachim Löw so nah am Finale dran war und es verpasste.
"Man weiß ja als Spieler, wie das ist, wenn man so kurz vor dem Endspiel ist und es dann verpasst. Aber Platz drei ist gut, die Mannschaft nimmt eine sehr positive Entwicklung." Tilkowski warnt dennoch vor zu hohen Erwartungen: "Dass diese Elf sehr jung ist, ist kein Garantieschein für künftige Erfolge."
Den 30. Juli 1966 und jenes ominöse England-Tor zum 3:2 wird Tilkowski wohl nie vergessen. Unterkante Latte, drin oder nicht? "Nicht drin, das ist klar, das Thema ist abgehakt" - echauffieren will er sich nicht mehr, obwohl er immer wieder darauf angesprochen wird.
Für Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt bestritt der Sohn eines Bergmanns 122 Bundesligaspiele. Vor 55 Jahren unterschrieb er seinen ersten Profivertrag bei Westfalia Herne, vor 45 Jahren gewann er mit dem BVB den deutschen Pokal. Doch danach fragt kaum einer. "Durch ein Tor, das keines war, bin ich vielleicht berühmter geworden, als wenn ich im Finale einen Elfmeter gehalten hätte." Er wäre "lieber Weltmeister geworden".
In Dortmund-Husen aufgewachsen, lernte Tilkowski bei Herbert Widmayer das Torwart-Handwerk. 1955 holte ihn Fritz Langner zu Westfalia Herne, Hermann Eppenhoff lockte ihn zum Bundesliga-Start 1963 zu Borussia Dortmund. Dem Leben im Tor folgten für den in Köln mit der Note eins ausgezeichneten Fußball-Lehrer die Trainer-Jahre: Bei Werder Bremen, wo ihn im Sommer 1977 sein früherer Dortmunder Zimmerkollege und damaliger Werder-Manager Rudi Assauer feuerte, 1860 München, 1. FC Nürnberg, 1. FC Saarbrücken und AEK Athen.
Ruhig, besonnen, unspektakulär - so agierte der 39-malige Nationalspieler Tilkowski zwischen den Pfosten. Seit langem engagiert er sich als "Botschafter der guten Tat" ähnlich unauffällig für benachteiligte Menschen. Für soziale Zwecke (u.a. Unicef, Mukoviszidose- und Multiple-Sklerose-Kranke) trug er mehr als eine Million Euro zusammen.
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