Das Leiden der Ferrari-Fans vor dem Rennen in Monza
Zu Saisonbeginn war Ferrari der Favorit auf den Formel-1-Titel. Seitdem ist aber viel passiert, vor allem wenig Gutes rund um die Italiener.
Man kann Ferrari nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Fernando Alonso war verpflichtet worden, als zweimaliger Weltmeister. Später kam Sebastian Vettel, immerhin viermal Weltmeister. Und nun versucht sich mit Charles Leclerc eines der größten Talente im Motorsport. Alle ohne Erfolg. 2007 war Kimi Räikkönen letztmals Weltmeister mit Ferrari geworden. Damals aber eher aus Zufall denn aus eigener Stärke. Weil Alonso und Lewis Hamilton bei McLaren Mercedes so sehr mit sich selbst und dem Gegner im eigenen Team beschäftigt waren, fuhr der Finne zum Titel. Seitdem nichts mehr. Kein Erfolg, nur noch Enttäuschungen. Trotz starker Fahrer.
Michael Schumacher hatte den Schlüssel zum Erfolg gefunden. Zwar hatte auch der Rekordweltmeister Zeit und Geduld gebraucht, irgendwann aber hatte er die strauchelnde Scuderia zu einem Spitzenteam geformt. Fünfmal war Schumacher mit Ferrari Weltmeister geworden, was angesichts der sonst dürftigen Bilanz in all den Formel-1-Jahren der Italiener eine außergewöhnliche Leistung war. 2004 hatte Schumacher letztmals mit Ferrari triumphiert, seitdem gab es kaum mehr bemerkenswerte Jahre. Mit Ausnahme von Räikkönens Überraschungstitel 2007. Aber auch der verblasst mehr und mehr in der Erinnerung der Tifosi. Sie beschäftigen sich vielmehr mit der aktuellen Situation, und die ist nicht erst seit Zandvoort ernüchternd. Zwar war Charles Leclerc dort als Dritter mal wieder auf dem Podium gestanden, sein Kollege Carlos Sainz erlebte aber all das Drama, für das Ferrari eben auch bekannt ist.
In Zandvoort klappt nicht mal der Reifenwechsel
Sainz war zu seinem ersten Reifenwechsel an die Box gekommen, in der Hoffnung, dass jedem bewusst ist, wie wichtig vier Reifen für ein Formel-1-Auto sind. Dummerweise aber lagen nur drei Reifen bereit, was dem Spanier eine zusätzliche Wartezeit von mehr als zehn Sekunden einbrachte. Weil einer der Mechaniker auch noch seinen Schlagschrauber ungünstig auf der Strecke hatte liegen lassen, fuhr Sergio Pérez mit seinem Red Bull darüber. Dümmer hätte es kaum laufen können. Andererseits passte das in den Saisonverlauf.
Der Ferrari war bei den Testfahrten als das schnellste Auto des Feldes ausgemacht worden. Ein Eindruck, den der Saisonstart in Bahrain bestätigte. Erster Leclerc, Zweiter Sainz. Die italienischen Fans und Medien jubilierten. Übrig geblieben ist davon nichts mehr. Eigene Fehler, Pannen in der Strategie, Ferrari hat kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen. So ist selbst mit einem überlegen wirkenden Auto der Titelkampf nicht zu gewinnen. Schon gar nicht gegen einen Max Verstappen und das Red-Bull-Team, die nahezu in Perfektion diese Saison abspulen. So ist es kein Wunder, dass Verstappen mit 109 Punkten Vorsprung vor Leclerc führt. Der gibt sich auch keinen Illusionen mehr hin. Der Monegasse weiß, dass rechnerisch die Chance zwar noch vorhanden ist, sich realistisch gesehen aber Verstappen durchsetzen wird. Vielleicht sogar schon in naher Zukunft. Zumindest nun in Monza bleibt Ferrari noch die Schmach erspart, Verstappen frühzeitig zum Titel gratulieren zu müssen.
Leclerc ist wenig optimistisch vor dem Monza-Rennen
Monza ist Ferrari-Land. Die Tribünen werden voll sein, unter das klassische Rot wird sich diesmal viel Gelb mischen – in Anlehnung an Gründer Enzo Ferrari und dessen Heimatstadt Modena wird die Farbwelt erweitert. „Für mich ist es pure Freude“, sagte Leclerc mit Blick auf die zahlreichen Fans. Er weiß aber auch, dass die Erwartungen hoch sind. Wie immer, wenn die Formel 1 im Königlichen Park zu Gast ist, auf der ältesten Rennstrecke in Europa. Gerne würden die Tifosi am Sonntag über einen Sieg jubeln. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie ein weiteres Mal leiden. „Wir müssen ehrlich sein, auf dem Papier ist das nicht unsere beste Strecke“, sagte Leclerc bereits nach dem Rennen in Zandvoort.
Dort hatte der ehemalige Weltmeister Nico Rosberg in seinem Job als TV-Experte Ferrari empfohlen, beim Personal Veränderungen vorzunehmen. „Sogar Formel-2- oder Formel-3-Teams machen einen besseren Job bei ihrer Strategie und ihren Boxenstopps als Ferrari“, hatte Rosberg gesagt. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto antwortete: „Wir werden keine Leute auswechseln, das ist eine direkte Antwort auf Rosberg.“ Ruhe bewahren, darum geht es Binotto. Er weiß aber auch, dass das bei Ferrari nicht immer einfach ist.
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