Zwei tödliche Unfälle: Das Horror-Wochenende von Imola
Die tödlichen Unfälle von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger: Das Rennen vor 30 Jahren auf dem Hochgeschwindigkeitskurs in Norditalien hat die Formel 1 nachhaltig verändert.
Jeder Sport hat seine epochalen Momente. Ereignisse, die sich ins Gedächtnis brennen und die Sportart über Jahrzehnte prägen. In der Formel 1 war es das Wochenende des 1. Mai 1994, das weltweit Trauer und Entsetzen auslöste. Auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Imola startete Ayrton Senna in seinen 161. Grand Prix. Wie so oft in seiner Karriere von der Pole-Position. Neben dem Brasilianer stand ein junger deutscher Fahrer – Michael Schumacher im Benetton-Ford. Senna wirkte nachdenklich, auch weil am Tag zuvor der Fahrerkollege Roland Ratzenberger tödlich im Abschlusstraining verunglückt war. Senna schien zu grübeln, wollte sich in Zukunft mehr um verbesserte Sicherheitsvorkehrungen bemühen. Es sollte nicht dazu kommen.
Der Brasilianer stand nach zwei Ausfällen trotz Pole-Position zuvor unter Druck. In Imola wollte er in die Erfolgsspur zurückkehren. In der siebten Runde krachte der Williams bei Tempo 300 in der berüchtigten Tamborello-Kurve in die Betonmauer und erlitt schwerste Kopfverletzungen. Schumacher musste mitansehen, wie der Rennwagen des großen Idols der damaligen Zeit in die Mauer einschlug und zurückgeschleudert wurde. Trotz einer Vollbremsung war Senna noch 214 km/h schnell gewesen, als er mit seinem Wagen gegen die Barriere krachte. Die Unfallursache wurde nie richtig geklärt. Ein losgerissenes Vorderrad hatte den Brasilianer schwer getroffen. Der verunglückte Pilot wurde in eine Klinik geflogen, wo die Ärzte um sein Leben kämpften. Am späten Nachmittag ging die Nachricht aus einer Klinik in Bologna um die Welt, dass der Rennfahrer seinen schwersten Kopfverletzungen erlegen ist.
Ayrton Senna wurde nur 34 Jahre alt
Die Nachricht stürzte Brasilien in eine tiefe Depression. 34 Jahre alt war er nur geworden, dreimaliger Weltmeister, vor allem aber schon damals eine Ikone und ein Nationalheld. Tagelang herrschte Staatstrauer in dem südamerikanischen Land. Hunderttausende Menschen verabschiedeten sich von dem im Parlamentsgebäude aufgebahrten Idol, rund eineinhalb Millionen begleiteten den verunglückten Fahrer auf seinem letzten Weg zum Friedhof. Die Frankfurter Rundschau schrieb: "Seit Peróns Tod gab es in Lateinamerika keine imposantere Trauerfeier als die für den brasilianischen Volkshelden."
Auch Michael Schumacher zeigte sich tief getroffen. Er habe sich sehr intensiv mit den Toden von Ratzenberger und Senna auseinandergesetzt, erzählte später der deutsche Ausnahmekönner am Lenkrad dem SZ-Magazin. Er habe sich gefragt, was ihm die Formel 1 und der Rennsport noch bedeuten könnten. "Auch deshalb bin ich damals nicht zu Ayrtons Beerdigung gefahren, sondern zum Testen. Ich musste wissen, ob ich weiterfahren kann, ob mir das Ganze überhaupt noch Freude macht. Außerdem wollte ich nicht öffentlich trauern, alle hätten nur auf meine Tränen gewartet."
Der Brasilianer war ein Mensch voller Widersprüche
Es hatte einen Perfektionisten getroffen. Ayrton Senna war für viele Formel-1-Fans vor allem in seinen frühen Jahren ein Mensch voller Widersprüche: medienscheu und in sich gekehrt abseits der Piste, rigoros und in seinen Manövern manchmal brutal auf der Strecke. Aber die Kritiker, die ihn jahrelang als kühl und arrogant, als egoistisch und rücksichtslos bezeichnet haben, verstummten mit der Zeit. Der Einzelgänger hatte eine Wandlung durchgemacht und war zum unbestrittenen Anführer der Branche geworden.
Im selben Jahr feierte Michael Schumacher seinen ersten Titelgewinn. Nach dem schwarzen Wochenende von Imola zogen die Sicherheitsexperten die richtigen Schlüsse. Die Fahrerzelle (Monocoque) aus Karbonfaser wurde eingeführt und ist praktisch unzerstörbar. Der Überrollbügel wurde erhöht. Die Piloten, die früher weit herausragten, versanken förmlich im Auto. Auch der Hals- und Nackenschutz HANS, eine Art Sicherheitsgurt für den Helm, hat gewiss einigen Fahrern das Leben gerettet.
Strengere Regularien für die Grand-Prix-Kurse und großzügige Auslaufzonen sind das Resultat des Engagements der Fahrergewerkschaft. Das Risiko schien kalkulierbar geworden. Starben zwischen 1950 und 1994 noch 25 Piloten in der Formel 1, wägte sich die Rennserie zwischenzeitlich auf der sicheren Seite.
Schweigeminute am Mittwoch in Imola
Dennoch sorgte auch der Faktor Glück dafür, dass zwischen 1994 und 2014 einundzwanzig Jahre lang zumindest keine Rennfahrer starben. Der Brasilianer Felipe Massa wurde 2009 von einer Metallfeder, die sich vom Auto seines Landsmanns Rubens Barrichello gelöst hatte, am Kopf getroffen und erlitt schwere Verletzungen am Auge. Im Oktober 2014 allerdings verunglückte Jules Bianchi in Suzuka schwer und zog sich schwere Kopfverletzungen zu, denen er neun Monate später erlag.
Mit einer Schweigeminute wollen der jetzige Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali sowie hohe politische Würdenträger aus Italien, Brasilien und Österreich an Senna und Ratzenberger an diesem Mittwoch am Ort der Unfälle erinnern. Die Gemeinde in Imola schrieb in einer Mitteilung: "Es wird ein Tag voller Emotionen."
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