Bei fünf Grad Außentemperatur im Schlafsack, seit Tagen auf Achse durch dichtes Unterholz, zum Waschen geht es in den eiskalten See. Simon Miller und seine Freunde haben es sich bei ihrem Schweden-Trip im vergangenen Mai nicht leicht gemacht. Doch sie haben es genau so gewollt.
Zehn Mann zählte die Gruppe, die sich im Spätfrühling aus Deutschland auf den Weg nach Skandinavien ins fast 30.000 Hektar große Naturreservat Glaskogen gemacht hat. Sechs per Bus, vier mit dem Auto. Im Gepäck: Feuerstahl, Survival-Messer, Wanderschuhe und sogenannte Tarps – Abdeckplanen, die sich zum Zeltbau eignen. „Das sind Essentials“, sagt Miller. Grundlegende Utensilien, die das Leben in der Wildnis ermöglichen. Der Plan der Gruppe: Eine Woche im schwedischen Wald verbringen, fernab von Trubel, Tankstellen – und Toiletten.
Eine Woche in der Wildnis Schwedens
Eigentlich wohnt Miller im schwäbischen Asbach-Bäumenheim, ist 28 Jahre alt, Informatiker und begeisterter Fußballfan. Am Wochenende treibt es ihn – wann immer es geht – ins Stadion. Nicht so im vergangenen Mai. Das Bundesligafinale der Saison 2022/23 hat er für den Ausflug nach Schweden schweren Herzens sausen lassen. So wichtig war ihm das Unterfangen.
Auf die Idee zu dem Outdoor-Trip sind Miller und seine Freunde im Jahr 2021 durch die Show „7 vs. Wild“ gekommen. Das Konzept: Die Teilnehmer werden fernab der Zivilisation ausgesetzt und müssen mit begrenzten Hilfsmitteln isoliert in der Wildnis überleben, sich selbst Wasser und Nahrung beschaffen und einen Unterschlupf bauen. Initiator der Show, die Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer im Internet verfolgten, ist Youtuber Fritz Meinecke. Der 34-Jährige beschäftigt sich in seinen Videos mit allem rund ums Thema „Überleben in der Wildnis“, baut etwa Fischfallen aus Stecken, erkundet verlassene Gebäude – und übernachtet auch mal bei Minusgraden draußen im Schlafsack.
Jede der „7 vs. Wild“-Folgen haben Miller und seine Freunde regelrecht zelebriert. Sie trafen sich, um gemeinsam zu schauen, und um zu fachsimpeln, stundenlang. Irgendwann sei laut Miller klar gewesen: „Wir wollen auch so etwas machen. Das ziehen wir jetzt durch.“ Die Männer haben sich schlau gemacht, im Internet recherchiert: Welches Messer taugt etwas? Welcher Schlafsack hält wirklich warm? Und wie funktioniert das eigentlich, mit einem Feuerstahl etwas anzuzünden?
Probehalber trafen sie sich in den Monaten vor Schweden zweimal in kleineren Gruppen, um in den Wäldern rund um Augsburg zu übernachten. „So konnten wir vorab schon testen, was am besten funktioniert“, sagt Miller. Eine Generalprobe, die glücken sollte – und die Gruppe in ihrem Bestreben bestärkte.
Auf den Spuren der „7 vs. Wild“-Kandidaten
Im Mai war es dann so weit. Genau dort, wo vor rund zwei Jahren die Kandidaten der ersten „7 vs. Wild“-Staffel in ihren improvisierten Unterschlüpfen froren, stürzten sich nun Miller und seine Freunde ins Abenteuer. Als Veranstalter hatten sie sich für „scandtrack“ entschieden. Der Anbieter für „Kanutouren auf eigene Faust“ hatte bereits bei der ersten Staffel der Show mitgewirkt und war daher ein „Muss“ für die Reisegruppe aus Deutschland. Mit insgesamt fünf Kanus und dem Survival-Equipment ihrer Wahl machten sich die Männer auf den Weg, immer zwei Personen in einem Boot. „Keiner von uns kannte sich so richtig damit aus, aber man kommt da schon rein“, erzählt Miller.
So paddelten sie los – teils mehrere Stunden am Tag waren sie auf dem Wasser unterwegs. Sieben Nächte ohne festes Dach über dem Kopf. Wenn ihnen ein Platz gefiel, schlugen sie dort ihre Zelte auf oder spannten die Hängematten zwischen die Bäume. Ganz so widrige Bedingungen wie die Kandidaten von „7 vs. Wild“ hatten die Ausflügler aus Deutschland allerdings nicht.
„Wir haben uns überlegt: Wir machen uns das Leben bewusst schwerer, als es daheim ist“, sagt Miller. „Aber wir wollten trotzdem eine gute Zeit zusammen haben.“ Heißt: Verpflegung für die Woche hatten die Abenteurer in Form von Reis, Kartoffeln und Bohnen dabei. Zwischendurch gab es einen Apfel und am Abend „durfte auch das ein oder andere Bierchen nicht fehlen“, erinnert sich der Informatiker und lacht. Insgesamt sei er mit seiner Ausrüstung sehr zufrieden gewesen. „Klar wurde es mal kalt in der Nacht, aber es ließ sich aushalten.“ Nur seine Wanderschuhe machten schlapp. Schon nach wenigen Tagen hatte sich die Sohle zum Großteil gelöst. „Das war nicht die optimale Wahl“, resümiert Miller.
Die entschleunigten Momente sind es, die ihm besonders im Gedächtnis blieben. „Wenn man zusammen am Lagerfeuer sitzt, ganz ohne Stress, dann lernt man seine Freunde noch einmal anders kennen, als es im Urlaub in Kroatien oder daheim der Fall ist.“ Auch seine größte Befürchtung, nicht zu wissen, wie sie den Tag rumbringen sollen, hatte sich rasch in Luft aufgelöst. Holz holen, Feuer machen, Kochen, Wasser beschaffen – die Aufgaben waren zahlreich. Von der Natur Schwedens zeigt sich der 28-Jährige beeindruckt: „Keine Spur von Plastik oder anderem Dreck.“ Man habe wirklich gemerkt, dass die Menschen dort achtsam mit ihrer Umwelt umgehen.
„Keine Spur von Plastik“
Streit gab es während des Ausflugs keinen, berichtet Miller. „Wir wussten, dass die Gruppe funktioniert, dass es klappt. Schließlich waren wir nicht zum ersten Mal gemeinsam unterwegs.“ Wichtig sei der Zusammenhalt im Team gewesen, aber auch, dass jeder seinen eigenen Rhythmus finden konnte. Der eine legte sich später schlafen, der andere etwas früher. Manche schlugen ihr Lager ein Stück weiter im Landesinneren auf, „weil dort der Wind nicht so frisch war“, sagt Miller. Er selbst hingegen habe lieber am Ufer geschlafen. „Jeder, wie er eben Lust hatte.“
Zudem seien – von einigen Kratzern abgesehen – Verletzungen ausgeblieben. So vergingen die Tage schnell. Und alle hielten durch. Als Belohnung hat Miller sich und seinen Freunden Medaillen anfertigen lassen. „Glaskogen Finisher“ steht darauf, das Antlitz eines Bären prangt auf der Vorderseite. Auch passende T-Shirts und Pullis gab es für alle dazu.
Worauf er sich zurück in der Zivilisation am meisten freute? „Einfach wieder weich sitzen, ein bequemes Bett und eine Dusche“, sagt Miller. Trotz des Waschens mit Naturseife fühle man sich irgendwann einfach schmuddelig.
Konkrete Pläne für einen weiteren Survival-Trip gibt es noch keine, verrät der 28-Jährige. „Das Equipment liegt aber bereit und kann jederzeit zum Einsatz kommen.“ Nun freuen sich die Männer aber erst einmal auf die neuen Folgen „7 vs. Wild“. Die Dreharbeiten zur bereits dritten Staffel wurden vor Kurzem abgeschlossen, die Teilnehmer, die es heuer nach Kanada verschlagen hatte, sind zurück in der Heimat. Die Ausstrahlung startet im November dieses Jahres. Millers Favoriten: das Youtuber-Duo Fritz Meineke und Survival Mattin. „Die wissen, was sie tun.“