Kokett, stimmgewaltig und barfuß tanzend: Festspiele in Wertingen begeistern
Manchmal sogar ohne Schuhe oder als "Drei Engel für Charlie": An einem zauberhaften Abend im Rahmen der ersten Wertinger Festspiele ziehen drei junge Sängerinnen alle Register.
„So schöne, stolze Mädchen“ ist es leise aus dem Publikum zu hören. Gemeint sind die Fristingerin Annika Egert, Marie Maidowski und Mirlinda Koci. Jede der drei jungen Sopranistinnen verzaubert das gut besetzte Publikum auf ihre Weise. Marie Maidowski singt mit sanfter, klarer Stimme das Blumenmädchen Eliza Doolittle aus dem Musical My Fair Lady. Im weißen Kleid steht sie anmutig, fast schüchtern auf der Bühne und singt: „I could have danced all night.“ Spontan verlässt sie die Bühne und tänzelt beschwingt im Wechselschritt durch den Mittelgang des Zuschauerraums der Wertinger Stadthalle.
Den Mut zu so viel Courage hat Sängerin Marie wohl wegen Hausmatadorin Annika Egert gefasst. Die kokettiert mit dem Heimatpublikum in einer verwandelten Wertinger Stadthalle. Die drei Sopranistinnen wechseln ihre klassischen Kleider, ihre Rollen und die gesungenen Sprachen beständig an diesem Abend. Auch die Wertinger Stadthalle ist in ein komplett anderes Kleid geschlüpft: Ein Teppich und dunkle Vorhänge umrahmen die Bühne. Die ist ausgestattet mit einem schwarzen Flügel, wunderschönen Blumenarrangements und einem Kanapee. Sowie einem riesigen Bildschirm. Auf diesem wechselt passend zu den Liedern das Hintergrundbild. Annika Egert besingt als Elisabeth aus dem Thannhäuser diese räumliche Verwandlung der Stadthalle mit vielen, schnellen Tonfolgen: „Dich teure Halle grüß ich wieder.“ Eine augenzwinkernde Anspielung auf so manches, als überteuert kritisiertes Theatersanierungsprojekt wie der Moderator des Abends, Tenor Philipp Lüsebrink erklärt. Auf dem Bildschirm leuchtet ein goldener Prunksaal auf. Konzertsaal-Atmosphäre mit einfachen Mitteln erzeugt.
Sängerinnen bei den Wertinger Festspielen überzeugen durch koketten Auftritt und atemberaubende Soli
An Stimmung mangelt es nicht, obwohl das Publikum gesetzter als an den vorangegangenen Abenden wirkt. Nicht Kinder füllen den Saal wie bei der Zauberflöte, sondern ein gediegenes Publikum in Ballkleidern und Anzügen. Die drei jungen Frauen wissen mit ihrer Jugend zu kokettieren. Wie es sich für echte Operndiven gehört, kommen sie scheinbar „zu spät“ zu ihrem Auftritt. Mirlinda Koci überzeugt als stolze Diva in der Rolle der Königin der Nacht, die auf Rache sinnt: „Hört Rachegötter, hört der Mutter Schwur!“ Und als Donizettis Norina aus der Oper Don Pasquale liest sie zunächst geschmeichelt die Briefe ihrer Verehrer, um sie dann über die Bühne stolzierend zu Boden zu werfen. Es folgt ein atemberaubendes Solo, bei dem sie ihre Verführungskünste besingt.
Enorm wandlungsfähig zeigt sich Annika Egert: Sie sitzt melancholisch schmachtend auf dem Ledersofa und singt Lehárs Klage der Friederike: „Warum hast Du mich wach geküsst? Hab' nicht gewusst, was Liebe ist.“ Um dann temperamentvoll mit Lehár fortzufahren: „Meine Lippen, sie küssen so heiß, meine Glieder sind schmiegsam und weich.“ Dabei umstreicht die 28-Jährige die Schultern des Pianisten Mikhail Berlin, streift ihre Schuhe ab und tanzt barfuß durch das Publikum. Beim „Schwipslied“ von Johann Strauß schließlich tritt die Fristingerin von hinten in den Zuschauerraum ein und schmettert ein lautes „Maestro“ . Sie hält eine Weinflasche umklammert und torkelt im Stil von „Dinner for one“ durch den Raum: „Ach wenn ich nur wüsst, hab ich heut schon geküsst?“ Gespielt lasziv schmiegt sie sich an einen Ehrengast in der ersten Reihe.
Ein Abschluss in der Manier von "Drei Engel für Charlie"
Die drei Sopranistinnen brillieren als Trio infernale oder Duett mindestens so gut wie als Solistinnen. Die Pause läuten sie mit einer eigens für Wertingen abgeänderten Version von Rudolf Sieczynskis „Wien, Wien, nur du allein, sollst stets die Stadt meiner Träume sein!“ ein. Und auch der Abschied vom Publikum erfolgt als kokette Grisetten, pardon unabhängige und selbstbewusst mit ihren Reizen spielende Frauen: „Ja, wir sind es die Grisetten, von Pariser Kabaretten!“ unterstreichen die drei mit den Absätzen klackernd. Um am Schluss ganz im Stil von „Drei Engel für Charlie“ mit gezogenen, fingergeformten Pistolen zu posieren.
Ruhige Momente runden den Abend gelungen ab: wie das wunderschöne Blumenduett aus der Oper Lakme. Maidowski und Koci singen ruhig und getragen. Ihre Stimmen ergänzen sich gleichsam. Zum Teil singen sie parallel, einander zugeneigt, zum Teil gegenläufig. Auf dem Bildschirm blühen unterdessen Orchideen auf. Der Pianist spielt ein leises Solo. Die Sängerinnen treten ab. Verborgen vor dem Publikum erklingen ihre Stimmen aus dem Off und umranken sich geradezu. Der Abend klingt friedvoll aus mit dem vierstimmigen „Abendsegen“ aus der Oper Hänsel und Gretel: „14 Englein, um dich stehen.“ Die drei Engel in Begleitung von Tenor Philip Lüsebrink können nicht nur verspielt verführerisch das Opernleben in Wertingen wecken, sondern sie pflegen es auch: mit dem großen Finale am 30. Juli und der Fortsetzung der Wertinger Festspiele. Denn 2024 gibt es ein Wiedersehen.
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