Wie sich Arbeitszeiten und Gehälter in Deutschland unterscheiden
Wo verdienen Beschäftigte am meisten? Wo wird am kürzesten gearbeitet? So viel vorweg: In Bayern lebt es sich in dieser Hinsicht gut. Ganz im Gegensatz zum Osten.
Der Mauerfall liegt fast 30 Jahre zurück, Deutschland scheint ein geeintes Land zu sein. Dennoch gibt es weiterhin große Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern. Das zeigt ein Blick auf durchschnittliche Arbeitszeiten und Gehälter: Beschäftigte in Ostdeutschland arbeiten länger als Menschen im Westen - und verdienen trotzdem weniger Geld. Entsprechende Daten der Statistischen Ämter von Bund und Ländern hat die Linke-Bundestagsfraktion nun ausgewertet.
Wie genau machen sich die Unterschiede bemerkbar? Zählt man Berlin zum Osten, arbeiteten Beschäftigte dort 2017 im Schnitt 1346 Stunden - 67 mehr als im Westen. Wird Berlin dem Westen zugerechnet, sind es in den neuen Bundesländern sogar 75 Stunden mehr. Vereinfacht ausgedrückt: knapp zwei Arbeitswochen à 40 Stunden.
Zeitgleich verdienen die Menschen im Westen mehr Geld: Die Jahres-Bruttolöhne je Arbeitnehmer lagen im Westen mit 35.084 Euro um fast 5000 Euro höher als in den neuen Ländern mit 30.172 Euro.
Linke-Sozialexpertin fordert Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde
Linke-Sozialexpertin Sabine Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Spaltung am Arbeitsmarkt halte auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wende an. "Die Bundesregierung hat sich offensichtlich mit einem Sonderarbeitsmarkt Ost abgefunden. Das ist nicht akzeptabel." Ein wesentlicher Schlüssel für eine weitere Angleichung sei eine Stärkung der im Osten deutlich schwächeren Tarifbindung. Niedrigstlöhnen und prekärer Beschäftigung müsse deutschlandweit endlich der Kampf angesagt werden, unter anderem durch eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro die Stunde.
Bayern landet im bundesweiten Vergleich im guten Mittelfeld und kann sich freuen: Arbeitnehmer im Freistaat leisteten im vergangenen Jahr im Schnitt 1287 Arbeitsstunden - 36 Stunden weniger als noch 15 Jahre zuvor. Zugleich lag der Jahres-Bruttolohn je Arbeitnehmer bei 36.330 Euro und damit um fast 1000 Euro höher als im Jahr 2002. Das ergeben Daten der Statistischen Ämter von Bund und Ländern, die die Linke-Bundestagsfraktion ausgewertet hat.
Im Schnitt am längsten gearbeitet wurde 2017 der Statistik zufolge in Thüringen mit 1371 Stunden. Es folgen Sachsen-Anhalt mit 1362 Stunden und Mecklenburg-Vorpommern mit 1353 Stunden je Arbeitnehmer. Am wenigsten Arbeitsstunden waren es in Nordrhein-Westfalen (1261), im Saarland (1259) und in Rheinland-Pfalz (1255). Bayern lag bei den Arbeitsstunden an zehnter Stelle.
Bei Löhnen und Gehältern hat Hamburg die Nase vorn
Bei Löhnen und Gehältern je Arbeitnehmer war dagegen Hamburg Spitze mit 40.771 Euro brutto im vergangenen Jahr. Es folgen Hessen (37.832 Euro) und Baden-Württemberg (36.786 Euro). Am wenigsten verdienten Arbeitnehmer demnach im Schnitt in Mecklenburg-Vorpommern mit 27.520 Euro, davor lagen Sachsen-Anhalt (28.607 Euro) und Brandenburg (28.715 Euro). Bei den Verdiensten lag Bayern mit durchschnittlich 36.330 Euro auf dem vierten Platz.
Beim Arbeitsvolumen erfasst der Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden am jeweiligen Arbeitsort - auch bei Beschäftigten mit mehreren gleichzeitigen Jobs. Nicht einbezogen werden etwa Urlaub, Elternzeit, Feiertage, Kurzarbeit oder Abwesenheit wegen Krankheit. Dabei gehe es weder um "Intensität noch Qualität der geleisteten Arbeit", erläutern die Statistiker. Nicht korrekt sei daher, von Unterschieden im "Fleiß" oder der "Arbeitsbereitschaft" zu reden.
Was sind die Ursachen für die Unterschiede zwischen den Ländern?
Als Ursachen für Unterschiede gelten unter anderem tarifliche Regeln. Wochenarbeitszeiten von 40 Stunden hatten im Westen noch acht Prozent der Tarifbeschäftigten, im Osten aber 40 Prozent, wie eine Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung von 2017 ergab. Einfluss haben etwa auch die Zahl der Feiertage und der Anteil von Vollzeit, Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung. Zu Arbeitnehmern zählen unter anderem Arbeiter und Angestellte, Beamte, Richter, Soldaten, Auszubildende und Praktikanten.
Wie hoch Verdienste regional ausfallen, kann davon abhängen, ob es Unternehmen mit gut bezahlten Jobs gibt. Einfluss auf die Gehaltshöhe hat auch die Qualifikation von Arbeitnehmern. Über die Kaufkraft sagt die Höhe der Bruttolöhne allein noch nichts aus - dies hängt von den Lebenshaltungskosten etwa für Miete oder Lebensmittel ab, die sich regional ebenfalls unterscheiden. (sli/dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.