Experte: „Das Auto von morgen kommt aus China“
Für BMW, Daimler und Volkswagen ist China der wichtigste Absatzmarkt. Mit ihrer Vorreiterrolle bei E-Autos prägt die Volksrepublik zudem die gesamte Industrie
Shanghai Die deutschen Autobauer setzen bei Forschung und Entwicklung zunehmend auf China. „Wir bauen stetig unsere Aktivitäten aus“, sagte der angehende Daimler-Konzernchef Ola Källenius am Dienstag auf der Automesse in Shanghai. Ähnlich sieht es VW-Chef Herbert Diess, der China als Maßstab für alle anderen bezeichnete. Bereits rund die Hälfte der rund 20000 Entwicklungsexperten von VW sei mit der Erforschung von Technologien, Produkten und Autodesigns für China befasst. Funktionen für das automatisierte Fahren, Vernetzung oder die Sensorik könnten vermehrt in Fernost entwickelt werden. Auch Analysten sehen die Volksrepublik als künftiges Zentrum der Industrie.
„Das Auto von morgen kommt aus China“, sagte Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer. Nicht nur sei der Markt so groß, dass kein Hersteller mehr an dem Land vorbeikomme. Das Land entwickle sich auch zunehmend zum Technologieführer. Einen Vorsprung hätten sich die Chinesen bei E-Autos erarbeitet. Dank staatlicher Subventionen, Einschränkungen für Benziner auf den Straßen und Produktionsquoten könnten laut Dudenhöffer in diesem Jahr bereits mehr als zwei Millionen Autos mit E-Antrieb in China verkauft werden. 2020 sollen es drei Millionen werden.
Symptomatisch für die wachsende Bedeutung Chinas für Autos ist, dass sowohl BMW als auch Daimler die elektrisiert fahrenden nächsten Generationen ihrer Kleinwagenserien Mini und Smart mit Partnern in China bauen und von dort aus exportieren werden. Chinas große Autobauer wie Geely, BAIC oder BYD haben schon seit Jahren E-Autos im Angebot. Die größten Innovationstreiber sind aber junge Firmen wie Nio oder Byton, die ausschließlich E-Autos produzieren. Auch die chinesische Automarke „Weltmeister“ gehört dazu. Mit dem Namen versucht die Firma, vom immer noch ausgezeichneten Image deutscher Hersteller in China zu profitieren.
Das Reich der Mitte beherrscht auch den Markt für Batterien. 35 Prozent der weltweit produzierten Zellen für Elektroautos kamen im vergangenen Jahr von den beiden großen chinesischen Herstellern. Auch beim zweiten großen Zukunftsthema, der Vernetzung des Autos, sieht Dudenhöffer die Chinesen vorn. Der Suchmaschinenkonzern Baidu arbeite an einem selbstfahrenden Roboterauto, das mit hoher Wahrscheinlichkeit in China den Marktdurchbruch feiern dürfte.
In Shanghai gaben sich die deutschen Hersteller zuversichtlich, dass die derzeitige Wachstumsschwäche auf ihrem wichtigsten Markt bald überwunden ist. Man sei „vorsichtig optimistisch“, sagte Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius. Nach Wachstum im ersten Quartal rechne der Konzern auch für das Gesamtjahr mit Zuwächsen. Ähnlich äußerte sich BMW-Finanzchef Nicolas Peter. „Wir werden zwischen fünf und zehn Prozent in diesem stagnierenden Markt wachsen und damit Segmentanteile gewinnen“, sagte er.
VW ist als Hersteller von kleinen und mittleren Fahrzeugen am stärksten von der derzeitigen Kaufzurückhaltung in China betroffen. Im vergangenen Jahr hatte der chinesische Automarkt zum ersten Mal seit mehr als zwanzig Jahren einen Rückgang verzeichnet. Vor allem der Zollstreit zwischen den USA und China verunsicherte Verbraucher und ließ sie beim Kauf zögern.
Zudem warteten Kunden zuletzt auch auf eine angekündigte Mehrwertsteuersenkung zum 1. April. Denn die nicht mehr so rasant wachsende chinesische Konjunktur hatte die Kauflust gedämpft. „Immer, wenn die Steuern für Verbraucher nach unten gehen, ist das grundsätzlich positiv“, kommentierte Källenius das chinesische Konjunkturprogramm. Marco Engemann und Jörn Petring, dpa
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