Wie Facebook Daten aufsaugt und Menschen fasziniert
500 Millionen Freunde und kein Ende: Wie Facebook immer mehr Daten aufsaugt und Menschen fasziniert. Von Tobias Schaumann
Gäbe es einen Preis für das Unternehmen mit dem größten Medienecho der vergangenen Tage und Wochen - Facebook wäre ein Anwärter darauf. Das soziale Netzwerk generiert sowohl positive wie negative Schlagzeilen; es beschäftigt Printfeuilletonisten wie Diskutanten in Internetforen.
Hier eine Auswahl der Nennungen. Der Film "The Social Network" räumte in Beverly Hills vier Golden Globes ab. Die Story von den Anfängen der Seite und das Porträt des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg begeisterten die Jury.
Dann war da der Volksaufstand in Tunesien. Die Menschen hatten sich nicht nur über die Internetplattform verständigt und Protestaktionen koordiniert. Sie schufen den Helden der Revolution virtuelle Denkmäler auf Facebook.
Eines davon gehört dem Piloten Mohamed Ben Kilani. Der 37-Jährige hatte sich einem Befehl widersetzt. Er hätte seinen Airbus auf dem Rollfeld stoppen sollen, bis die Familie des gestürzten Präsidenten Ben Ali an Bord war. Sie wollte fliehen. Pilot Mohamed Ben Kilani entschied, man warte nicht "auf Menschen, die Verbrechen gegen das tunesische Volk begangen haben".
Die ganze Geschichte steht auf der Facebook-Seite für den mutigen Flugkapitän. Aktivisten haben dort auch ein Bild veröffentlicht. Der andere Held ist General Ammar. Der 63-jährige Armeechef wird auf Facebook bereits zum neuen Präsidenten Tunesiens ausgerufen. Gut 4000 Anhängern "gefällt das", wie es in der Facebook-Sprache heißt.
Das allerdings ist nichts gegen das schielende Opossum Heidi aus dem Leipziger Zoo. Das Tierchen mit dem Silberblick brachte es innerhalbweniger Tage auf 250.000 Facebook-Freunde. Nur Popstars wie Lady Gaga stoßen in größere Dimensionen vor. Die Sängerin weiß in dem sozialen Netzwerk 27 Millionen Fans an ihrer Seite. Sie gehört damit zu den Rekordhaltern und vermeldet es fortlaufend.
Ebenso regelmäßig erregt die dunkle Seite des Netzwerkes Aufmerksamkeit. Stichwort Datenschutz. In dieser Woche wurde bekannt, dass das Unternehmen nicht davor zurückschreckt, Softwareentwicklern und Webseitenbetreibern einen Zugang zu Adressen und Telefonnummern von Mitgliedern zu öffnen. Die Betroffenen müssen der Weitergabe ihrer Daten zwar ausdrücklich zustimmen. Kritiker bemängeln aber, dass viele Menschen unüberlegt ihre Erlaubnis erteilen oder das Risiko nicht überblicken. "Derartige Pläne setzen einen selbstverantwortlichen Nutzer voraus", sagt der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar.
Inzwischen hat Facebook die umstrittenen Pläne auf Eis gelegt - ganz nach dem vertrauten Motto, es einmal zu probieren, abzuwarten, was passiert, und dann zu entscheiden. Mit dieser Methode wurde das Unternehmen 50 Milliarden Dollar schwer und spielt damit beinahe in einer Liga mit der Telekom. Caspar muss oft daran erinnern, dass Facebook letztlich wirtschaftliche Interessen verfolgt.
Doch woher rührt die Popularität? "Der Erfolg von sozialen Netzwerken begründet sich ökonomisch gedacht durch das Streben nach sozialem Kapital. Und dieser Bedarf kann mit einer hohen Anzahl von Netzwerkkontakten - bei Facebook durch "Freunde" - befriedigt werden", sagt Medienwissenschaftler Prof. Klaus Bredl von der Universität Augsburg.
Die Nutzer füttern Facebook mit immer neuen Inhalten, erhalten darauf wiederum Rückmeldungen und werden sich so ihrer sozialen Präsenz bewusst, wie Bredl erklärt. "Dabei spielen auch Aspekte der Selbstidealisierung eine Rolle."
Facebook nutzt dieses zutiefst menschliche Verhalten, um einen eigenen Kosmos aufzubauen. Eine clevere Software-Architektur hilft dabei. Der Dienst stellt Webseitenbetreibern Gratis-Werkzeuge zur Verfügung, mit denen Facebook-Inhalte integriert werden können. Heute surft man nicht mehr nur auf Facebook, sondern im Facebook-Web. Was immer der Nutzer unternimmt - Facebook will dabei sein.
Und Facebook ist dabei. Jedes der 500 Millionen Mitglieder veröffentlicht im Schnitt 90 Beiträge pro Monat, berichtete Spiegel online. Der Durchschnittsnutzer sammelt 130 Freunde und verfolgt 80 Facebook-Seiten bestimmter Urheber. Diese Aktivität bildet den Nährboden, auf dem Facebook jeden Tag prächtiger gedeiht. Es wird zunehmend interessant, selbst für Menschen, die eigentlich draußen bleiben wollen. Von Tobias Schaumann
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