Vom eleganten Kostüm bis zum aparten Wickel-Kittel
Die Textilkette C&A feiert ihren 100. Geburtstag in Deutschland
Augsburg 50 Jahre Betriebszugehörigkeit – darauf ist Inge Holliday stolz. Das ist der kleinen Dame anzusehen, wenn sie inmitten ihrer Augsburger Kolleginnen in der Kantine zu plaudern beginnt und von der familiären Atmosphäre bei dem Handelsriesen schwärmt. 13 Jahre war sie erst alt und nur 1,48 Zentimeter klein, wie sie betont, als sie 1961 bei C&A ihre kaufmännische Ausbildung begann. Ein Jahr, in dem ihr Arbeitgeber als neue Kundin die Karrierefrau entdeckt und sie „chic im Beruf“ machen will, wie in dem schön gestalteten Katalog nachzulesen ist, der anlässlich des 100. Geburtstages der Modekette in Deutschland entstanden ist. Dabei war der Aufstieg im Familienunternehmen Brenninkmeyer in den 60er Jahren ausschließlich Männern vorbehalten.
Das kann Thorsten Rolfes bestätigen. Anders als Inge Holliday wurde der Unternehmenssprecher von Anfang an für eine Führungsaufgabe in dem weltweit agierenden Unternehmen ausgebildet, das europaweit fast 1500 Filialen mit rund 36000 Mitarbeitern zählt – davon fast 500 mit etwa 15000 Beschäftigten in Deutschland. Seit 1982 ist Rolfes dabei. Damals gab es noch eigene Haushalte für die aufstrebenden Führungskräfte bei C&A. Das war eine Art Wohngemeinschaft von Männern mit festen Regeln – „und einer Haushälterin“, betont Rolfes. Dies gibt es zwar heute nicht mehr. Auch sitzen Frauen mittlerweile in der Chefetage. Doch mit der Gleichberechtigung hat sich C&A lange Zeit schwer getan. Erklärt wird die Zurückhaltung oft mit dem Katholizismus, dem die Familie von jeher sehr eng verbunden ist.
Überhaupt ranken sich um den verschwiegenen Clan viele Gerüchte, schließlich öffneten sich die Eigner erst vor gut 15 Jahren langsam der Öffentlichkeit. Das mag damit etwas zu tun haben, dass der Textilhandel nicht mehr das einzige Standbein ist. Zu den Geschäftsfeldern der Familie gehören unter anderem auch Immobilien und Finanzdienstleistungen. Doch der Name Brenninkmeyer steht für den Textilhandel. Und das nicht erst seit 100 Jahren, wie der Jubiläumkatalog zeigt. Zwar wurde im März 1911 das erste deutsche Geschäft an der Berliner Königstraße 33 eröffnet. Die Wurzeln des Unternehmens gehen aber bis ins 17. Jahrhundert zurück. Damals zog Johann Brenninkmeijer – so die ursprüngliche Schreibweise – noch als Wanderhändler vom westfälischen Mettingen, dem Ort mit dem sich die weitverzweigte Familie noch heute eng verbunden fühlt, nach Holland, um dort Leinenstoffe an reiche Bauern zu verkaufen. Am 1. Januar 1841 legen die Brüder Clemens und August die Basis für das heutige Imperium indem sie den Manufakturladen „C&A Brenninkmeijer“ im friesländischen Sneek gründeten. Von da an wächst der Textilhandel der Familie.
Die Übersiedelung nach Berlin ist nur folgerichtig, wenn man die Maxime liest, die sich die Eigner bereits 1911 gaben: „Sollen die anderen ruhig die Kunden bedienen, die mit dem Wagen vorfahren. Wir werden die große Masse einkleiden, die zu Fuß oder mit der Straßenbahn kommt.“ So darf sich C&A als Pionier feiern lassen: Die Ware wurde nicht mehr von einer Verkäuferin über eine Theke gereicht, sondern konnte an der Kleiderstange selbst ausgesucht werden. Auch bekam man ein Jahr Garantie. Vor allem aber musste die Garderobe erschwinglich sein, wie eine Annonce von 1922 zeigt: „Ein Wochenlohn! – selbst der kleinste genügt, um eines der hier abgebildeten, ganz entzückenden modernen Kleidungsstücke zu erwerben.“
Es sind die Werbebotschaften, anhand derer die Geschichte von C&A am schönsten nachzuerzählen ist: Da sind die elegant gekleideten Damen im „modernen GabardineKostüm“ aus dem Jahre 1924, über deren Hüte die Schrift „Sehen heißt kaufen!“ prangt. Die moderne Frau in den 50er Jahren präsentiert sich natürlich mit Perlon und Petticoat, aber auch die fleißige Hausfrau wird nicht vergessen, die sich im „aparten Wickel-Kittel“ zeigt. Mindestens so wichtig wie die Bilder und die Mode veranschaulichen Maskottchen den Wandel der Zeit. So taucht im Frühjahr 1975 erstmals der Schnupperhund auf. Es ist eine kleine, gelbe Promenadenmischung mit roten Punkten, die unermüdlich auf der Spur von Schnäppchen ist. 1979 verkündet ein kleiner Mann mit großer Flüstertüte erstmals den Schlussverkauf bei C&A. Und unvergesslich für eine Kindheit in den 70er Jahren ist das Palomino-Pferd, das noch heute Kindermode aus dem Hause Brenninkmeyer ziert.
Ein zeitgemäßer Rückblick bleibt aber nicht bei nostalgischen Momenten stehen, er widmet sich auch dunklen Kapiteln. Und so wird auch die Rolle während des Dritten Reiches angesprochen: Man habe zugunsten der Ökonomie „das Maß bloßer Anpassung überschritten“, heißt es im Jubiläumskatalog. Das Unternehmen habe sich „durch den Erwerb von Grundstücken jüdischer Eigentümer“ in nationalsozialistisches Unrecht verstrickt.
Offen geht das Unternehmen mit der schweren Krise um, in das es in den 1990er Jahren schlitterte. C&A meldet erstmals in der Nachkriegsgeschichte Verluste. Das war auch die Zeit, in der viele zusätzliche Sozialstandards gestrichen wurden, erinnert sich Inge Holliday. Aber die Familie investierte und schaffte die Trendwende. Heute wächst C&A wieder. Doch der Textilhandel hat sich verändert, sagt Sebastian Rosendahl, der die Filiale in der Augsburger Bahnhofstraße leitet. Gerade der Markt mit der günstigen Garderobe für die Familie ist umkämpft. „Da ist es gut, dass eine Familie hinter dem Unternehmen steht“, sagt Inge Holliday und ergänzt: „Die Familie Brenninkmeyer hat ihr Geld mit Textilien gemacht. Die lassen C&A-Mode nicht untergehen.“
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