Ist die Facebook-Währung Libra kaum zu stoppen?
Finanzexperte Gerhard Schick warnt vor der Gefahr von hohen Verlusten durch die Facebook-Währung Libra. Dazu kommt noch ein weiteres Ärgernis mit dem US-Konzern.
Der mächtigste Internetkonzern der Welt ist drauf und dran, seine außerordentliche Macht weiter zu steigern. Schon Anfang nächsten Jahres will Facebook eine eigene Währung ausgeben. Obwohl Finanzminister und Notenbanker wichtiger Länder den Plan skeptisch betrachten, könnten ihnen die Hände gebunden sein, wenn sie dem US-Giganten in die Parade fahren wollen. Davor warnt der Finanzexperte Gerhard Schick. „Wir befürchten, dass der Staat zu spät kommt“, sagte der frühere finanzpolitische Sprecher der Grünen. Er hat sich einen Namen bei der Aufarbeitung der Bankenpleiten während der letzten Finanzkrise gemacht.
Der 47-Jährige sieht in dem elektronischen Geld, das Libra heißen soll, nichts weniger als einen Angriff auf das Währungssystem. Schick schlägt Alarm. Der Politik und den Währungshütern bleiben aus seiner Sicht nur wenige Monate, um das Projekt zu stoppen. Doch bisher sei völlig unklar, wie das geschehen könne. „Wir haben von keinem Regulator, von keinem Aufseher, von keinem Politiker eine Rechtsgrundlage gehört, wie sie es denn tun wollen“, mahnte er am Dienstag in Berlin. Der ehemalige Abgeordnete ist seit vergangenem Jahr Chef der Nichtregierungsorganisation „Finanzwende“, die dem Einfluss von Banken, Versicherungen, Fonds und Großunternehmen etwas entgegensetzen will.
Libra: Facebook verspricht, die Devise stabil zu halten
Facebook hat weltweit 2,3 Milliarden Nutzer. Selbst wenn nur ein Teil davon das elektronische Geld verwenden sollte, entstünde mit Libra eine Währung im Weltmaßstab. Der Konzern verspricht, den Wert der Devise stabil zu halten. Praktisch hieße das, dass die Benutzer sie jederzeit gegen Dollar, Euro und andere Leitwährungen ohne Verlust eintauschen könnte. Facebook wagt sich damit an ein Versprechen, das früher die US-Notenbank mit dem Goldstandard gegeben hat. Theoretisch hätte die Zentralbank jede Dollarnote in Gold tauschen müssen. Anfang der 1970er Jahre zerbrach das System.
Würde die Libra-Währung in Zukunft einmal massiv an Wert einbüßen, befürchten Kritiker, dass sie gestützt werden müsste. Weil das selbst Facebook als Unternehmen überfordern könnte, müsste wieder die Allgemeinheit einspringen und dann nicht Banken, sondern einen US-Internetkonzern mit Steuergeld retten. Eine Garantie für Guthaben, wie sie die Banken mit der Einlagensicherung ihre Kunden geben, hat Facebook Schick zufolge bisher nicht in Aussicht gestellt.
Daten der Nutzer könnten gesammelt werden
Der zweite Vorbehalt gegen das Facebook-Geld betrifft das Kerngeschäft des Unternehmens – das Sammeln von Daten. Schon heute weiß die Plattform fast alles über seine Nutzer. Anfang nächsten Jahres würde ein riesiger Berg an sensiblen Informationen entstehen, und zwar über die Finanzen, mahnt Schick. Nicht ohne Grund schirmen viele Menschen diesen Bereich vor neugierigen Blicken ab. Facebook versichert zwar, dass es keinen Zugang zu Finanzdaten der Nutzer haben wird, was die Deutschen allerdings nicht überzeugen will. Die große Mehrheit von 71 Prozent steht Libra ablehnend gegenüber, wie eine Umfrage unter 2100 Teilnehmern im Auftrag von Finanzwende ergeben hat. Die Hälfte der Befragten hält den Einfluss des Internetkonzerns schon heute für problematisch. Schon einmal hielt er sich nicht an seine Zusage und integrierte die Daten der Tochter WhatsApp in das Stammgeschäft.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will Libra vereiteln. „Die Herausgabe einer Währung gehört nicht in die Hände eines Privatunternehmens, denn sie ist ein Kernelement staatlicher Souveränität“, erklärte er. Wie genau Scholz vorzugehen gedenkt, ist aber offen. Facebook plant, die Tochter für das eigene Geld in der Schweiz zu gründen. Der Finanzplatz ist im internationalen Vergleich liberal. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht der Digitalwährung entspannt gegenüber. Der Entwurf zu dem Projekt sehe professionell aus und die Initiatoren hätten angedeutet, dass sie sich an die Regeln halten wollten, hatte SNB-Direktor Thomas Moser erklärt.
Finanzwächter Schick hat einen Appell an EU-Kommission und Europäische Zentralbank gerichtet, schnell zu identifizieren, mit welchen rechtlichen Instrumenten einer Facebook-Tochter in der Schweiz begegnet werden könnte.
Facebook könnte aber davon profitieren, dass sowohl an der Spitze von EU und EZB ein Wechsel ansteht. Der Betrieb ist dadurch mit sich selbst beschäftigt.
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