Warum junge Leute Landwirt werden wollen
Die Zahl der Auszubildenden in Agrarbetrieben ist derzeit überraschend gut, obwohl die Branche vor vielen Schwierigkeiten steht. Dabei sind die Motivationen höchst unterschiedlich.
Es mutet schon etwas komisch an, was im Kuhstall von Landwirt Josef Grießer im Inchenhofener Ortsteil Ingstetten vor sich geht. Dort stehen zweimal am Tag dicht aneinandergereiht Kühe auf einer sich drehenden Scheibe und fahren im Kreis. Während die Tiere ihre Runden drehen, sind in der Mitte des Rondels Mitarbeiter damit beschäftigt, Melkschläuche an die Kuheuter zu befestigen. Melkkarussell nennt sich das und es ist eines der fortschrittlichsten Systeme in der Landwirtschaft. Diese hat gerade mit einigen Problemen zu kämpfen.
„Besonders die niedrigen Milchpreise setzen uns zu“, sagt Julius Spitz vom Landwirtschaftsamt Augsburg (AELF). Der 23-jährige Agrarbetriebswirt ist selbst „seit Kindesschuhen in der Landwirtschaft“. Mit 15 ließ er sich zum Landwirt ausbilden. „Besonders der Kontakt zur Natur spricht für den Beruf“, sagt er. Über die Erfahrungen, die er während seiner Ausbildung sammelte, wollte er bei der bayrischen „Woche der Ausbildung“ an Grießers Hof interessierte Schüler informieren. Es kam aber kein einziger Interessent.
Viele sind von der Arbeit als Landwirt abgeschreckt
Die Schwierigkeiten der Branche könnten ein Grund dafür sein. „Es gibt immer weniger landwirtschaftliche Betriebe“, sagt Spitz. „Gleichzeitig werden die bestehenden Betriebe aber immer größer“, ergänzt seine Kollegin Monika Griesbeck. Es sind Betriebe, die sich eine Vergrößerung leisten können und die Mittel haben, um technisch aufzurüsten. Voraussetzung sind allerdings genügend Flächen. „Dafür braucht man Vermögen“, sagt Griesbeck. Und das sei bei kleinen Betrieben oft nicht vorhanden. Es gebe zwar immer mal wieder Neugründungen von Höfen, aber häufig komme dies nicht mehr vor.
Diese Probleme und auch die langen Arbeitszeiten oder die harte körperliche Tätigkeit schrecken vor dem Beruf ab. Trotzdem kann sich Gabriela Knieß nicht über mangelnden Nachwuchs beschweren. Sie ist Ausbildungsberaterin am AELF und mit der aktuellen Zahl der Landwirt-Aspiranten zufrieden: „Zur Zeit haben wir insgesamt 30 Auszubildende in der Stadt und dem Landkreis Augsburg und im Landkreis Aichach-Friedberg.“ Die Lehre dauert drei Jahre. Sie ist unterteilt in ein Praxisjahr, das auf einem Hof absolviert wird, eineinhalb Jahren an der Landwirtschaftsschule und endet mit der Meisterprüfung.
Bei den Bewerbern handele es sich zwar zum Großteil um junge Menschen, die den elterlichen Betrieb übernehmen wollen, wie Knieß berichtet. Bei vielen sei das aber nicht von Anfang an der Wunsch gewesen: „Wir haben auch Auszubildende, die den Hof ihrer Eltern zuerst nicht übernehmen wollten und sich erst nach dem Abitur und dem Studium dazu entschieden haben, Landwirt zu werden.“ Die Zahl dieser Bewerber sei zwar geringer, trotzdem gebe es sie häufig. Selbst Quereinsteiger bildet sie aus. Knieß erzählt beispielsweise von einem Mediziner, der vor dem stressigen Klinikalltag fliehen wollte, oder einer Diplom-Mathematikerin mit dem Plan, eine sich selbst versorgende Kommune zu gründen. Als Hauptmotivation der Bewerber nennt Knieß „die Vielfältigkeit, die Selbstständigkeit und auch das Traditionsbewusstsein“.
Landwirt werden: Ein vielfältiger Beruf
Für Julius Spitz ist es ein besonders „emotionaler“ Beruf. „Etwas im Herbst zu säen und das dann im Frühling blühen zu sehen ist traumhaft“, sagt er. Zwar sieht auch er die Zukunft der Landwirtschaft kritisch, er sieht aber auch Chancen. „Wenn sich die Landwirte Nischen suchen, ist das gut für deren Existenz.“ Damit meint er, dass sich einzelne Höfe auf gewisse Produkte spezialisieren könnten, die nur sie im Angebot haben. Auch ein eigener Hofladen wäre seiner Meinung nach sinnvoll. Der Trend, sich beim Einkaufen auf regionale Produkte zu konzentrieren, würde das zwar unterstützen, sagt Monika Griesbeck, „aber es sind nur einzelne Gesellschaftsschichten, die im Hofladen einkaufen.“
Um konkurrenzfähig zu sein, sind Landwirte auf Hilfsmittel wie das Melkkarussell angewiesen. Betritt eine Kuh das Karussell, wird ihr Euter von den Mitarbeitern gereinigt und die Melkschläuche angeschlossen. Nachdem sich das Karussell einmal gedreht hat, ist das Tier abgemolken. Anschließend kann es die Maschine wieder in Richtung Futterstelle und Schlafplätze verlassen. Dafür rückt ein anderes nach. „Der große Vorteil ist die Zeitersparnis“, sagt Griesbeck. Es mutet für den Betrachter zwar komisch an, die Landwirte aber brauchen es.
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