Für den Einzelhandel ist die Zeit vor Weihnachten die umsatzstärkste des Jahres – für die Läden wie für die Onlineshops. Doch es gibt zwei Phänomene, die das Geschäft schädigen. Denn was bequem ist für Verbraucher, ist ärgerlich für die Händler: Viele Kunden informieren sich in einem Geschäft nach einer Ware, shoppen aber lieber online. Fachleute nennen das Showrooming. Auch Kunden, die im Vorfeld planen, bestellte Ware zurückzusenden, sind ein Problem.
Beim Showrooming schaut ein Konsument in der Stadt nach neuesten Trends, lässt sich inspirieren, bestellt aber anschließend im Internet. Und das, obwohl ihm schon vor dem Ladenbesuch klar ist, dass er sich online nach günstigen Angeboten umsehen will. Showrooming ist ein Phänomen, das laut einer aktuellen Studie der Universität Augsburg immer mehr zunimmt. Die Mitarbeiter des Lehrstuhls für „Value Based Marketing“ befragten knapp 1600 Menschen in Deutschland. Das Ergebnis: Rund ein Drittel aller Verbraucher hat im Laufe eines Jahres mindestens einmal bewusst Showrooming betrieben.
Händler leiden unter geplanten Retouren
Ähnlich sieht es bei geplanten Retouren aus – das zweite Phänomen, unter dem Händler leiden. Der Kunde beabsichtigt schon vor der Bestellung, die Ware zurückzusenden. „Zum Beispiel, weil er Produkte nur für einen bestimmten Anlass bestellt“, sagt Lehrstuhl-Mitarbeiterin Janina Kleine. Bei dem einen ist es das Kleid für die nächste Hochzeit, bei dem anderen die Skijacke für den Winterausflug am Wochenende.
Bei vielen Online-Händlern ist die Retoure kostenlos – was Kunden zusätzlich befördere, Artikel zurückzuschicken, heißt es in der Studie. Die bestellte Online-Ware schicken rund 17 Prozent absichtlich wieder zurück, Frauen häufiger als Männer. Knapp 22 Prozent der befragten Verbraucher praktizieren Showrooming. Beides ist laut Studie außerdem abhängig vom Alter. Die meisten Verbraucher sind zwischen 14 und 29 Jahre alt. Je älter der Konsument, umso weniger betreibt er geplantes Showrooming oder Retournieren.
Kostenlose Retoure verstärkt das Problem
Retouren belasten den Online-Handel je nach Branche unterschiedlich schwer. Besonders betroffen ist das Bekleidungs- und Elektroniksegment. Im Bereich Fashion und Accessoires werden oft mehr als die Hälfte bestellter Textilien wieder zurückgeschickt. Eine Studie des Händlerbunds belegt außerdem, dass bei 856 befragten Händlern fast jede zweite Rücksendung beschädigt war. Ein Großteil der retournierten Ware lässt sich somit nicht mehr weiterverkaufen – zumindest nicht ohne eine große Portion Rabatt.
Beide Reaktionen seien kein zu vernachlässigendes Randphänomen, sagt Lehrstuhl-Inhaber Michael Paul. „Sie dürfen somit vom Handel nicht unbeachtet bleiben.“ Die Konsequenzen sind dramatisch. Bei übermäßigen Retouren gehen Pakete sinnlos auf die Reise und belasten die Umwelt. Der zusätzliche Verpackungsmüll widerspricht dem Öko-Gedanken zusätzlich. Showrooming kann dazu führen, dass Ladengeschäfte schließen, lokale Arbeitsplätze nicht mehr gesichert werden und die Einkaufskultur einer Stadt verloren geht.
Und wie können Ladenbesitzer gegen Showrooming ankämpfen? „Natürlich spielen günstige Preise hier eine wichtige Rolle“, betont Paul. Oft können Geschäfte nicht mit den Preisen von Internetriesen mithalten. Weitere Faktoren sind laut Paul aber ein großes Sortiment sowie freundliche, kompetente Mitarbeiter. Um mit Internet-Händlern konkurrieren zu können, brauche es außerdem einen attraktiven Online-Kanal, sagt Paul.
Der Handel muss online und offline aktiv sein
Stefan Hertel, Pressesprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE), kann das bestätigen. Der Handel müsse die Vorteile beider Vertriebskanäle nutzen. „Die Händler sollten also on- und offline aktiv sein.“ Seit einigen Jahren, sagt Hertel, sei dieser Trend zum „Multichannel-Handel“ zu beobachten. Ladengeschäfte bauen sich ein Online-Standbein auf und bisher reine Online-Händler eröffnen Geschäfte. Mister Spex, Notebooksbilliger.de und Zalando machen es vor. Unvermeidlich, sagt Hertel. „Denn die Zukunft des Handels liegt in der Kombination beider Welten.“
Im Showrooming sieht Hertel aber entgegen der Studienergebnisse noch kein akutes Problem. Natürlich informiere sich ein Teil der Kunden vor einem Kauf im Internet auch im stationären Handel, sagt der HDE–Pressesprecher. „Dieser ,Beratungsklau‘ spielt jedoch nicht eine so große Rolle wie oft vermutet.“ Nach einer Auswertung des Verbands aus dem Jahr 2017 werden im Mode- und Accessoire-Bereich weniger Online-Umsätze nach vorheriger Offline-Information getätigt als umgekehrt. Das heißt, die meisten Kunden informieren sich laut HDE zunächst im Internet, bevor sie im Ladengeschäft einkaufen.
Gegen Kunden, die absichtlich Ware zurückschicken, können Händler wenig unternehmen. Die Lehrstuhl-Mitarbeiter empfehlen, einen Bonus für Online-Kunden zu gewähren, die keine oder wenig Ware zurücksenden. Helfen würde ebenfalls, Rücksendekosten vom Kunden tragen zu lassen oder ihn gar auszuschließen, sollten die Retouren überhandnehmen.
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