Rückschlag für E-Rezept: Schleswig-Holstein stoppt Testphase
Schleswig-Holstein zieht sich aus der Testphase ab 1. September zurück. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns sieht Verbesserungsbedarf.
Zum 1. September sollte in Norddeutschland der Startschuss für das E-Rezept fallen. Doch der Zeitplan wackelt. Nach Bedenken der Datenschutzbehörde von Schleswig-Holstein teilte die Kassenärztliche Vereinigung in dem nördlichsten Bundesland am Montag mit, dass sie sich aus der Einführungsphase zurückzieht.
Der Datenschützer im Norden haben vor allem Bedenken gegen den Versand von QR-Codes per E-Mail oder SMS an Versicherte oder an Apotheken. Die Apotheken brauchen diesen Code, um auf das E-Rezept zugreifen und dann das Medikament aushändigen zu können. Befürchtet wird, dass ein zu großer Personenkreis Einblick in das Rezept nehmen könnte.
Ärzte in Schleswig-Holstein: E-Rezept erreicht die Ziele in nächster Zeit nicht
Eigentlich hätten sich die Ärzte erhofft, dass eine "Entbürokratisierung des Massenprozesses Rezept durch die Digitalisierung erreicht werden kann", schrieb die Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, Monika Schliffke. "Nach zwei Monaten intensiver Vorbereitung, Abklärung aller Wege und permanenter Absprache mit allen Akteuren sehen wir aktuell nicht, dass unser Ziel in den nächsten Monaten erreicht werden kann", kritisierte sie.
Bisher sind bereits die Apotheken bundesweit darauf ausgerichtet, ab dem 1. September das neue, digitale E-Rezept einlösen zu können. Der nächste Schritt ist, dass die Arztpraxen tatsächlich E-Rezepte ausstellen. Doch auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) hält man einige Punkte am E-Rezept für verbesserungswürdig.
Einlösung mit dem Smartphone: Ist die Technik zu kompliziert?
Zum einen betrifft dies die App, mit der Patienten ihr Rezept über das Smartphone ausstellen lassen können. "Damit es ein Erfolg wird, muss das E-Rezept für Patienten praktisch und gut zu bedienen sein – hier habe ich meine Zweifel", sagt Monika Schindler, Leiterin für Digitalisierung bei der KVB.
"Der Weg bis zur Einrichtung der E-Rezept-App auf dem Smartphone ist nicht ganz selbst erklärend", sagt sie. Neben einem geeigneten Smartphone und einer NFC-fähigen Gesundheitskarte mit PIN braucht man einiges an technischem Geschick. Viele ältere oder gebrechliche Menschen dürften daran scheitern.
KVB kritisiert Ausdruck auf Papier als Alternative: "Kein digitaler Prozess"
Zwar gibt es eine Alternative. Man kann beim Arzt weiter einen Papierausdruck bekommen – statt in rosa in weiß. Der Ausdruck enthält einen Code, der in der Apotheke eingescannt werden kann. Dieser Weg erscheint der KVB aber nicht schlüssig. "Die Ärzte wollen den Weg der Digitalisierung gehen, er hat aber nur Sinn, wenn es wirklich digitale Prozesse gibt", sagt Schindler. "Ein QR-Code auf ausgedrucktem Papier ist kein digitaler Prozess." Die KVB sieht deshalb großes Potenzial in der von der Gematik für 2023 angekündigten Variante, die es ermöglichen soll, dass E-Rezepte direkt über die elektronische Gesundheitskarte eingelöst werden können. Die Gesellschaft Gematik ist für die technische Seite des E-Rezeptes verantwortlich.
Für die Einführung des E-Rezepts war ein Stufenplan vorgesehen. Nach dem Start in Norddeutschland sollen den Plänen zufolge zum 1. Dezember 2022 sechs weitere Regionen folgen, zum 1. Februar 2023 dann der Rest des Landes.
Ursprünglich sollte es auch in Bayern bei den Ärzten am 1.9. losgehen. "Wir haben gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium dann aber erklärt, dass der Zeitpunkt für uns denkbar ungünstig ist, da Bayern sich Anfang September noch immer mitten in den Sommerferien befinden", erklärt KVB-Expertin Schindler.
Wie es nun weitergeht, darüber erwartet sich die Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns mehr Aufschlüsse Ende August: Am 29.8. trifft sich die Gesellschafterversammlung der Gematik.
Forderung nach besserer Information der Patientinnen und Patienten
Sehr viele Arztpraxen in Bayern hätten inzwischen die technischen Voraussetzungen zum Start des E-Rezeptes geschaffen, sagt Monika Schindler. Die Ärzte zögerten aber bisher, die Technik freiwillig anzuwenden. Sie befürchten zahlreiche Rückfragen durch die Patienten. "Vor dem Start des E-Rezepts in Bayern müssen die Patientinnen und Patienten viel besser über das E-Rezept informiert werden", appelliert die Expertin deshalb. Gefragt sind hier beispielsweise die Krankenkassen oder das Gesundheitsministerium.
Für die Einführung mussten die rund 18.500 Arztpraxen in Bayern ein Software-Update aufspielen. Nötig ist auch ein elektronischer Heilberufsausweis, damit die Rezepte vom Arzt digital signiert werden können.
"Das E-Rezept ist eine Prozessänderung, die anfangs sicherlich etwas Sand im Getriebe verursacht", meint die Digital-Expertin. "Dies wird sich aber einspielen", ist sie zuversichtlich. "Letztlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung und höchste Zeit, schließlich ist das Thema bereits seit über einem Jahrzehnt im Gespräch." Die ersten Praxen, welche die Technik nutzen, seien ihrer Erfahrung nach sehr zufrieden.
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