Warum die Kurzarbeit Unternehmen in der Energiepreiskrise nicht rettet
Immer mehr Unternehmen warnen davor, wegen der hohen Preise nicht mehr kostendeckend produzieren zu können. Doch in Kurzarbeit können sie ihre Beschäftigten deswegen nicht schicken.
Am Mittwoch vergangener Woche hat das Kabinett eine erneute Verlängerung des vereinfachten Zugangs zum Kurzarbeitergeld für Unternehmen beschlossen. Bis Ende des Jahres können Unternehmen nun weiterhin Kurzarbeit beantragen, wenn nur mindestens zehn Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Im Regelfall müsste mindestens ein Drittel von ihnen weniger zu tun haben. Zudem müssen die Beschäftigten auch weiterhin keine Minusstunden aufbauen, bevor Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann.
Die Fortführung der großzügigen Regelung dürfte nach Schätzungen der Regierung rund 140 Millionen Euro kosten und 100.000 zusätzliche Beschäftigte in Kurzarbeit bringen. Viel Geld? In diesen Zeiten wohl eher nicht. Denn um ganz andere Dimensionen geht es, wenn tatsächlich eintritt, wovor viele Bereiche der Wirtschaft immer lauter warnen. Angesichts der enorm gestiegenen Kosten für Strom und Gas könnten ganze Industrien ihre Produktion bald einstellen müssen. Selbst wenn sie ausreichend Energie beziehen könnten, wären sie nicht mehr wettbewerbsfähig.
Indirekt könnten die hohen Gaspreise die Tür zur Kurzarbeit öffnen
Kurzarbeit anmelden können sie deswegen aber nicht. Das stellt die Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage noch einmal klar. Einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld gibt es nur, wenn der Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, erklärt eine Sprecherin. Preissteigerungen seien in diesem Zusammenhang kein unabwendbares Ereignis, das die Ausführung der Arbeit in einem Betrieb, wie zum Beispiel infolge eines Brandes, vorübergehend teilweise oder ganz unmöglich machten. Das mag manche Unternehmensleitung nun anders sehen, die mit einer Vervielfachung der Strom- und Gasrechnung konfrontiert ist.
Doch ganz so klar, wie das klingt, ist die Lage doch nicht. Denn zumindest indirekt könnten die hohen Energiepreise doch einen Anspruch auf Kurzarbeit rechtfertigen, wie die Sprecherin einräumt. Drei Beispiele machen die Lage deutlicher:
Beispiel 1:
Ein Stahlkonzern stoppt wegen der stark steigenden Energiepreise zwei Produktionsanlagen und schaltet die dafür benötigten Hochöfen ab. Durch die exorbitant gestiegenen Energiepreise können die Anlagen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Anspruch auf Kurzarbeitergeld gibt es laut der Agentur für Arbeit keinen, da die Entscheidung betriebswirtschaftlicher Natur ist. Die Nachfrage nach dem Produkt sei ja weiterhin vorhanden.
Beispiel 2:
Ein Unternehmen muss seine Produktion aufgrund einer Rationierung der Gasmenge einstellen. Wenn die Rationierung der Gasliefermengen auf behördliche Anordnung erfolgt, kann das Unternehmen wohl Kurzarbeitergeld beantragen.
Beispiel 3:
Ein Zulieferer entscheidet sich, die Produktion eines Artikels einzustellen, da dieser in der Herstellung sehr viel Energie erfordert (Für ihn gilt das Gleiche wie in Beispiel 1). Aber ein abnehmender Betrieb, der diesen Artikel benötigt, um seine Produktion fortführen zu können, hat gute Chancen auf die Gewährung von Kurzarbeitergeld, wenn alle anderen Voraussetzungen zutreffen. Der Betrieb müsste zum Beispiel vorher prüfen, ob der benötigte Artikel anderweitig, eventuell auch zu höheren Kosten bezogen werden kann oder ob ein Arbeitsausfall intern kompensiert werden kann.
Trotz der drohenden Notlage wird an diesen Regeln von der Wirtschaft bislang nicht gerüttelt. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), bekräftigt stattdessen die Bedeutung von Wirtschaftshilfen auf Bundes- und Landesebene. "Über das Kurzarbeitergeld alleine werden wir das Problem nicht lösen können. Wir müssen die hohen Energiepreise an ihrem Kern bekämpfen", sagte er unserer Redaktion.
Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit einem Defizit von ein bis zwei Milliarden Euro
Er fordert daher eine europäisch abgestimmte Strompreisbremse. Für eine Übergangszeit solle dafür der Strompreis vom Gaspreis entkoppelt werden. Bislang bestimmen die Grenzkosten von Gaskraftwerken nach dem Merit-Order-Prinzip den Preis. Auch der Gasumlage erteilt die vbw eine Absage. Stattdessen sollten angeschlagene Energieversorger direkt vom Staat gestützt werden. Die staatliche Förderbank KfW soll die Gasbeschaffung über einen Kredit absichern.
Der Staat könne auch ganz direkt helfen, indem er die Stromsteuer umgehend auf das europarechtliche Minimum von 0,1 Cent pro Kilowattstunde absenke, betonte Brossardt. Zudem bräuchten die Betriebe mehr politische Rückendeckung beim Brennstoffwechsel von Erdgas auf andere Energieträger, dem sogenannten Fuel-Switch. "Eine Förderung des Fuel-Switchs wäre sinnvoll, zumal etliche Unternehmen vor gar nicht so langer Zeit – politisch erwünscht – auf Erdgas umgestellt hatten", so Brossardt.
Auch wenn die Kurzarbeit zuletzt deutlich zurückgegangen ist, könnte sie im Winter wieder steigen. In der Statistik wird zwischen angemeldeter und tatsächlich in Anspruch genommener Kurzarbeit unterschieden. Letztere liegt immer erst mit einer zeitlichen Verzögerung vor. Demnach bezogen im Juni bundesweit noch 259.017 Beschäftigte Kurzarbeitergeld aus konjunkturellen Gründen. Für Bayern stammen die jüngsten Zahlen aus dem Mai. Hier waren es 65.968 Beschäftigte. Anzeigen gingen bei der Bundesagentur vom 1. bis zum 25. August nach vorläufigen Daten für 35.747 (Bayern: 5049) Beschäftigte ein. Dennoch erwartet die Bundesagentur ein Jahresdefizit zwischen einer und zwei Milliarden Euro.
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Kurzarbeit- Schwieriger Balanceakt wegen der Energiekrise. Wenn eine Firma eben Teile der Produktion still legt, weil sich diese wirtschaftlich nicht mehr aufrecht erhalten läßt, bleibt ausser Kurzarbeit Gewährung als Alternative nur die Kündigung von Mitarbeitern und Schliessung des Produktionszweiges - ausser es bietet sich die Möglichkeit der Verlagerung der Produktion in ein anderes Land. Schliessung der Produktion oder Abwanderung ins Ausland , damit sind die Arbeitsplätze im Inland auf Dauer verloren. Ich bezweifle aber, dass die Berliner Wirtschaftspolitik soweit vorausschaut.