Stagflation: Was kann die EZB tun?
Seit Wochen bereitet die hohe Inflationsrate den Deutschen Sorgen. Nun droht der Wirtschaft eine Stagflation. Was das bedeutet und was die EZB dagegen tun kann – ein Überblick
Ob an der Supermarktkasse oder beim Tanken: Die Inflationsrate von 7,4 Prozent lässt die Preise kräftig ansteigen – und das bereitet den Verbrauchern laut einer repräsentativen Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey zurzeit mehr Sorgen als der Ukrainekrieg oder die Corona-Pandemie. Fast jeder Dritte fürchtet, seinen Lebensstil aufgrund der Inflation einschränken zu müssen. Nun droht in Deutschland eine Stagflation. Welche Auswirkungen hätte die auf unser Leben?
Für rund 40 Prozent der Deutschen ist die größte Sorge gerade: die Inflation. Die steigenden Preise zehren an den Nerven der Verbraucher. Fast ein Drittel der Befragten befürchtet, den eigenen Lebensstil einschränken zu müssen – weil sie ihn sich nicht mehr leisten können. Besonders ausgeprägt ist die Inflationsangst bei Menschen mit niedrigem Einkommen.
Zwei Drittel der Befragten mussten zuletzt mehr Geld für Lebensmittel ausgegeben, 61 Prozent mehr für Benzin und Transportkosten oder Energie. Dadurch hat fast jeder Dritte seinen Konsum in anderen Bereichen eingeschränkt. Gespart wird vor allem bei Ausgaben für Kosmetik, Bekleidung, Entertainment und Reisen.
Krieg, Öl, Inflation: Ursachen und Bedeutung einer Stagflation
Nun droht der Eurozone eine Stagflation. Das Wort ist eine Verschmelzung von Inflation und Stagnation. Das ökonomische Szenario dahinter: Den anhaltend steigenden Preisen steht ein geringes Wirtschaftswachstum und eine steigende Arbeitslosenquote gegenüber. Und die Bedingungen dafür sind gerade ideal:
Seit Anfang 2022 ist die Wirtschaft in der Eurozone verglichen mit dem Vorquartal nur um 0,2 Prozent gewachsen. Die Inflationsrate erreichte 7,4 Prozent und damit ihr Allzeithoch seit Einführung des Euro und der Wiedervereinigung. Die Ursachen für die hohe Inflation werden sich nicht so schnell in Luft auflösen: Gestörte Lieferketten, Corona-Lockdowns in China und der Krieg in der Ukraine sind gerade die Preistreiber.
Die letzte große Stagflation gab es in den 70er Jahren, ausgelöst durch die Ölkrise. Die Parallele zu heute: der angespannte Energiemarkt, dem ein Embargo gegen russische Energie droht. Damals wuchs die Wirtschafts ebenfalls nicht mehr; die Arbeitslosenzahlen verfünffachten sich innerhalb von zwei Jahren. Es kam zur Lohn-Preis-Spirale (dazu gleich mehr). Eine hohe Inflation traf auf eine stagnierende Wirtschaft, in der die Arbeitslosigkeit stieg: Eine Stagflation setzte ein.
Stagflation: Diese Möglichkeiten hat die EZB
Klassischerweise könnte die EZB mit einer Zinserhöhung gegen die Inflation entgegenwirken. Doch: Höhrere Zinsen bremsen die Konjunktur. Sie machen Kredite teurer und zügeln so den Konsum. Sparen wird attraktiver. Unternehmen haben kaum die Möglichkeit, die nötigen Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben.
Hohe Inflation hin oder her: Das ist der Grund, wieso die EZB bislang auf eine Zinserhöhung verzichtet hat. Der Leitzinssatz liegt derzeit immer noch bei null Prozent. Viele Bankexperten hatten damit gerechnet, dass sich die Situation auf den Finanzmärkten bis Sommer wieder entspannen würde.
Dabei gibt es gute Gründe gegen eine Zinserhöhung: Sie würde die Ursachen der hohen Inflation nicht bekämpfen. Höhere Zinsen lösen nicht die eigentlichen Probleme, sie bringen nicht die Logistik zum Laufen noc,h machen sie Energie günstiger. Trotzdem wird die EZB ihren bisherigen Kurs vermutlich anpassen und bereitet eine Kehrtwende in der Zinspolitik für Juli vor – hauptsächlich um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern:
Einfach erklärt: Lohn-Preis-Spirale
Durch die hohe Inflation versuchen Arbeitnehmer branchenübergreifend höhere Löhne durchzusetzen. Die Unternehmen wiederum erhöhen daraufhin als Ausgleich ihre Preise. Das allgemeine Preisniveau steigt weiter. Eine Kettenreaktion entsteht.
Dem soll eine baldige Zinserhöhung entgegenwirken. Dabei gilt es, die richtige Balance zu finden: Die EZB muss die Zinsen erhöhen, ohne dabei die Konjunktur abzuwürgen. Steuert sie zu intensiv entgegen, bricht die Konjunktur ein. Steuert sie zu lasch entgegen, könnte die Inflation außer Kontrolle geraten. Nur eins ist klar: Nichts tun, abwarten, so wie bisher, ist keine Option mehr.