Amazonas-Ureinwohner mit gesündesten Herzen weltweit?
Laut einer neuen Studie aus den USA haben Menschen, die am Amazonas leben, die weltweit gesündesten Herzen. Viel Bewegung, viele Ballaststoffe - das macht ihr Herz stark.
Forscher aus den USA publizierten im Fachjournal "The Lancet" die Ergebnisse ihrer Studie über das Volk der Tsimane, das zu den Amazonas-Ureinwohnern zählt. Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass die Amazonas-Ureinwohner die gesündesten Arterien aller Völkergruppen weltweit haben - auch der Vergleich mit Menschen aus den USA unterstützte offenbar diese These. Für ihre Studie untersuchten die Forscher über 700 Mitglieder des Stammes der Amazonas-Ureinwohner.
Amazonas-Volk der Tsimane und ihre Ernährung
Während ihrer Untersuchungen stellten die Forscher fest, dass die Blutgefäße eines 80-jährigen Ureinwohner ebenso geschmeidig seien wie die eines Mittfünfzigers aus den USA: Laut den Wissenschaftlern gebe es kaum Anzeichen von Arteriosklerose, die auch als Arterienverkalkung bekannt ist.
Den Ursprung der gesunden Arterien vermuten die Forscher in einer Kombination aus ballaststoffreicher Ernährung und überdurchschnittlich viel Bewegung. Die Amazonas-Ureinwohner nehmen viele Kohlenhydrate zu sich, wenig gesättigte Fettsäuren und Proteine und verzichten weitestgehend aufs Rauchen. Zudem fordert die Instandhaltung ihrer Region stets viel Bewegung, die auch Ureinwohner hohen Alters noch tätigen, so die Forscher. Auch Europäer könnten sich von dieser Lebensweise einiges abschauen, meint das Forscherteam rund um Hillard Kaplan von der University of Mexico.
Das Amazonas-Riff und das schwarze Gold
Amazonas-Ureinwohner im Vergleich mit anderen Völkern
Die US-Forscher untersuchten 705 ältere Mitglieder des Tsimane-Stammes. Sie machten computertomografische Aufnahmen der Arterien und haben Cholesterin-, Blutzucker- und Blutdruck-Werte gemessen. Dabei stellten sie fest, dass 85 Prozent der 40- bis 94-jährigen Probanden keinerlei Risiko für Herzkrankheiten aufwiesen. Zum Vergleich: Bei älteren Amerikanern liegt die Rate bei nur 14 Prozent.
Fast drei Viertel des Tsimane-Speiseplans besteht demnach aus Kohlenhydraten und Ballaststoffen - in Form von Reis, Maniok, Kochbananen, Mais, Nüssen und Früchten. Hinzu kommen wenig Proteine durch Fleisch und Fisch (14 Prozent) und ebenso wenig Fett.
Während Menschen in Industriegesellschaften zudem mehr als die Hälfte ihres Tages sitzend verbringen, ruhen sich die Tsimane nur zehn Prozent ihrer Tageszeit aus. Den Rest verbringen sie mit Jagen, Fischen oder Getreideanbau.
Studie: Kaum Herzerkrankungen bei Amazonas-Ureinwohnern
Die Forscher fanden außerdem heraus, dass mehr als die Hälfte der untersuchten Tsimane erhöhte Entzündungswerte hatte. "Nach konventionellem Denken erhöhen Entzündungen das Risiko für Herzerkrankungen", sagte Ko-Autor Randall Thompson. Doch offenbar trotzen die Tsimane konventionellem Denken, denn bei ihnen habe sich kein Zusammenhang zwischen Entzündungen und Herzerkrankungen feststellen lassen, so die Forscher. Sie vermuten, dass die Entzündungswerte aufgrund der zahlreichen Infektionen entstanden sind, denen die Ureinwohner des Amazonas fortlaufend ausgesetzt sind.
Doch nach Einschätzung der Autoren zeichnet sich auch bei den Ureinwohnern ein Wandel ab. "In den vergangenen fünf Jahren haben neue Straßen und die Einführung motorisierter Kanus den Zugang zur nahen Marktstadt, wo Zucker und Speiseöl zu kaufen ist, dramatisch erhöht", beschreibt Mitautor Ben Trumble.
Sind Ergebnisse der US-Studie zum Amazonas wirklich neu?
Gänzlich neu sind die Erkenntnisse der US-Forscher allerdings nicht. "Die heutigen Empfehlungen zur Prävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten, aber auch anderen Wohlstandskrankheiten, zielen auf die gleichen Lebensstil- und Risikofaktoren wie Ernährung, Bewegung, Körpergewicht ab, die sich in dieser Studie als so protektiv erwiesen haben", meint der Ernährungsmediziner Hans Hauner vom Klinikum Rechts der Isar in München. Die Faktoren seien lediglich nach wie vor zu wenig bekannt. Hier sieht Hauner jedoch jeden in der Eigenverantwortung.
Heribert Schunkert vom Herzzentrum München und Wissenschaftlicher Beirat der Deutschen Herzstiftung ergänzt, dass Arteriosklerose durchaus verschiedene Ursachen habe. "Es ist immer ein ganzes Bündel verschiedener Aspekte, die sich aufsummieren." Dabei sind gleichermaßen genetische Veranlagung und der Lebensstil einflussreiche Faktoren, die sich wechselweise modulieren. Für den einige Patienten eigne sich je nach Stoffwechsel-Veranlagung eher Sport, während andere Patienten cholesterinarme Ernährung hilfreicher sei. Auch komme man aus den Konventionen seiner jeweiligen Lebensumwelt nur schwer heraus, sagt Schunkert. Trotzdem: "Die Studie erinnert daran, wie wichtig natürlicher Lebenswandel ist." dpa/AZ
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