Mit Bus und Taxi durch die Durststrecke
Der Dießener Taxifahrer Michael Hartmann hofft, dass es bald wieder aufwärts geht mit dem Geschäft. Denn er mag seinen Beruf sehr und hat viel zu erzählen über seine Fahrgäste und die Konsequenzen, wenn man mit dem Autofahren seine Brötchen verdient.
Wann haben Sie den Führerschein gemacht? Gab es damals noch den grauen oder rosafarbenen Papierführerschein oder schon das Exemplar im Scheckkartenformat? Fakt ist, dass alle Führerscheine, die vor dem 19. Januar 2013 ausgestellt wurden, in den nächsten Jahren in einen neuen, fälschungssicheren EU-Führerschein umgetauscht werden (siehe Kasten). Der Ammersee Kurier hat die Tauschaktion zum Anlass genommen, um mit Personen zu sprechen, für die der Führerschein besonders wichtig ist. Taxifahrer, Lkw-Fahrer und Fahrlehrer. Sie sitzen täglich hinterm Steuer und verdienen damit ihre Brötchen. Da ist ein Gläschen Sekt tabu und sollten sich auch die Einträge im Fahreignungsregister in Flensburg in Grenzen halten.
Michael Hartmann aus Dießen ist gerade mit dem Taxi unterwegs zu einem Fahrgast. Es handelt sich um einen Krankentransport, erklärt der 49-Jährige, der zusammen mit seiner Mutter Brigitte in Dießen das Bus- und Taxiunternehmen Steinherr Reisen führt. "Viele Fahrten sind in diesen Zeiten nicht möglich", sagt der Unternehmer. Die Ausflugsgäste und Urlauber fehlen. Der Betrieb hat eine staatliche Unterstützung beantragt und kann gerade auch seine Stammfahrer nicht im gewohnten Maß beschäftigen.
Trotzdem steckt Michael Hartmann den Kopf nicht in den Sand und hofft, dass die Durststrecke bald überwunden ist. Denn er arbeite auch nach über dreißig Jahren immer noch sehr gerne in seinem Beruf. Warum? Auf diese Frage schwärmt er vom Sonnenaufgang, der ihn beeindruckt, wenn er mit dem Taxi früh morgens den Bischofsrieder Berg nach Dießen hinunter fährt und von den vielen interessanten Fahrgästen, die sein Leben bereichern.
Gelegentlich, wenn er lange unterwegs ist, hat er auch das Fahrrad oder die Inline-Skates im Gepäck, um sich zwischendurch auszupowern. Diesen Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit braucht er und erinnert sich schmunzelnd an eine Busfahrt nach Porto Venere bei La Spezia in Italien. Am Ziel angekommen schnallte er seine Inline-Skates an und sauste den steilen Berg in den Ort hinunter. "Da war ich Dorfgespräch", sagt er. Es ist alles gut gegangen. Den Weg zurück hat er dann zu Fuß über 320 Stufen zurückgelegt.
Obwohl er sehr viel auf der Straße ist, mit dem Reisebus bereits in Schweden, Sizilien und Dubrovnik war, hat Hartmann auch bei seinen Betriebsfahrten noch keinen schweren Unfall gehabt. Gott sei Dank. "Kleine Blechschäden und beim Rückwärtsfahren mit dem Reisebus schon mal ein Auto angestupst", das schon. Eine größere Panne gab es einmal mitten auf der Stadtautobahn von Madrid, als die Kupplung kaputtging und alle Reisenden in Taxis zum Hotel gebracht werden mussten. Seine vorbildliche Fahrweise macht sich auch im Punkte-register in Flensburg bemerkbar. "Dort gibt es keine Einträge", sagt Hartmann. Und das soll auch so bleiben. Denn er weiß, was auf dem Spiel steht, wenn er den Führerschein riskiert. Deshalb verzichtet er auch gerne auf das Glas Bier, wenn er abends noch Fahrgäste transportieren muss. Denn bei Taxifahrern gilt die 0,0-Promille-Regel. "Das fällt mir nicht schwer", sagt er.
Viele Personen hat der Dießener schon befördert - "interessante Gäste, von denen man was lernen und durch die man eine andere Sicht auf die Dinge entwickeln kann". Da fallen ihm spontan die Aussteiger ein, die er abends immer vom Bahnhof zu ihrer kostenlosen Stube in der Nähe von Dießen gefahren hat und die oft nicht sofort, aber immer zuverlässig gezahlt hätten. Der Zeitpunkt sei davon abhängig gewesen, wie spendabel die Bürger in den Großstädten waren, die sie in den Fußgängerzonen um finanzielle Unterstützung gebeten haben. Auch an so manchen Schauspieler, Filmschaffenden und Musiker erinnert sich Hartmann.
Peter Maffay - "ein Mensch ohne Allüren, der sehr gut mit Kindern umgehen kann" - und Kinder, die bei seinen Tabaluga-Musical-Auftritten mitgewirkt hätten sowie andere Musiker waren darunter. Auch bei einer Filmproduktion durfte sein Betrieb schon einmal mitwirken. Bei der Utta-Danella-Verfilmung "Schokolade zum Frühstück" mit Peter Sattmann und Katerina Jacob. Der Streifen wurde 2009 in Dießen gedreht.
Verständigungsprobleme mit den Fahrgästen? Gibt es nicht! Hartmann spricht ein paar Brocken Französisch, Italienisch, Englisch - und mit Händen und Füßen - das kommt gut an bei seinen Kunden.
"Ich fahre unheimlich gerne Auto", sagt der Selbstständige, der alle Führerscheinprüfungen auf Anhieb geschafft hat - vom Kleinkraftrad über das Motorrad bis hin zum Auto, Bus und Lkw. "Null Fehler" attestierten ihm die Fahrlehrer stets. Auch heute noch muss Hartmann alle fünf Jahre eine einwöchige Schulung durchlaufen, um seine Kenntnisse aufzufrischen.
Mit 21 hat er den Bus-Führerschein gemacht und ist in den Familienbetrieb eingestiegen. Rund 100 000 Kilometer legt er jährlich im Reisebus oder Taxi zurück, schätzt er. Normalerweise. Doch gerade geht gar nichts, sagt er und ist froh, dass er zweigleisig fährt und mit dem Taxiunternehmen noch ein bisschen Geschäft macht. Weite Fahrten mit dem Reisebus gehen schon länger nicht mehr. Die Urlauber steigen lieber ins Flugzeug. Im Aufwärtstrend befinden sich hingegen Buchungen für Gepäcktransporte von Fahrradreisenden.
Damit Hartmann den Beruf weiterhin ausüben kann, ist er konsequent bei der Umsetzung der Hygienemaßnahmen, denn "wenn mich Corona erwischt, muss ich den Laden zumachen". Das will er nicht riskieren und hofft, dass er mit den Ersparnissen und staatlichen Hilfen einigermaßen durch die Krise kommt.
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