Not macht erfinderisch: Aushilfslehrer springen ab dem neuen Schuljahr ein
Der Lehrermangel macht sich auch im Landkreis Augsburg bemerkbar. Das Schulamt will etwas dagegen machen – mit einer ungewöhnlichen, aber erfolgreichen Stellenausschreibung.
Amtsrichter, die ohne zweites Examen ihre Urteile verkünden dürfen? Undenkbar im deutschen Rechtssystem. Praktizierende Lehrer, die kein Staatsexamen vorweisen können? Sie werden im Landkreis Augsburg gesucht. Der Grund für diese Ausnahmesituation: Schullehrkräfte sind zur Mangelware geworden – in Deutschland, in Bayern und auch im Landkreis Augsburg. Alleine im Freistaat konnten zu Beginn des letzten Schuljahres rund zehn Prozent der zur Verfügung stehenden Stellen nicht besetzt werden. Auch im Landkreis Augsburg sieht die Situation nicht viel besser aus: Schulamtsdirektor Thomas Adleff zufolge waren in den Grund- und Mittelschulen Ende Juli noch 2200 Wochenstunden zu besetzen, um den Lehrerbedarf zu decken.
Der Landkreis hat sich daher zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen: „Aushilfslehrkräfte an Grund- und Mittelschulen gesucht“ lautet eine Stellenausschreibung auf der Webseite des Landratsamts. Angesprochen sind damit insbesondere Lehramtsstudentinnen und -studenten, die sich zwar dem Ende ihres Studiums nähern, allerdings noch nicht ihre Abschlüsse gemacht haben müssen. Und das Projekt hat schon erstaunliche Früchte getragen, wie Adleff berichtet: „Uns ist es so bereits gelungen, etwas über 1900 Wochenstunden zu akquirieren. Insofern sind wir trotz der vergleichsweise immensen Stundenzahl bei dieser ‚Ferienhausaufgabe‘ schon gut vorangekommen.“ Dabei seien vor allem Lehramtsanwärter, aber auch einige Bachelor- und Masterstudenten eingestellt worden.
Aushilfslehrer im Kreis Augsburg: Schulamtsleiter kann gewisse Skepsis verstehen
Kann also zur Not heute schlichtweg jeder Lehrer werden, auch wenn er gar nicht die entsprechende Ausbildung dazu hat? Adleff kann diese allgemeine Skepsis sehr gut verstehen und ist auch selbst der Überzeugung, dass prinzipiell am bisherigen Grundsystem mit Staatsexamen und Vorbereitungsdienst nicht gerüttelt werden sollte: „Es erklärt sich von selbst, dass Lehramtsstudenten nicht über das gleiche professionelle Wissen verfügen können wie voll ausgebildete Lehrkräfte. Daher werden die Aushilfslehrkräfte auch nur befristet eingestellt und ohne Erstes Staatsexamen in einer niedrigeren Entgeltgruppe eingruppiert. Insofern behalten die grundständige universitäre Ausbildung und die Staatsexamina auch weiterhin ihre Wertigkeit.“ Adleff räumt allerdings ein, dass die Aushilfskräfte von den Schulleitungen und Stammlehrkräften intensiv begleitet werden müssen, was für einen erheblichen Zusatzaufwand sorgen würde.
Dass die jungen Lehreranwärter tatsächlich nicht nur irgendeinen anspruchslosen Minijob verrichten sollen, zeigt die Unterrichtungszeit von bis zu mehr als 15 Stunden pro Woche, die laut der Stellenanzeige für die jungen Studenten möglich wären. Zum Vergleich: Ein staatlich geprüfter Gymnasiallehrer unterrichtet je nach Schulfach gerade einmal acht bis zwölf Stunden mehr. Eine Nachfrage beim Schulamtsdirektor ergab jedoch, dass in der Praxis die meisten Aushilfskräfte durchschnittlich acht bis zehn Wochenstunden unterrichten würden, obwohl es diesbezüglich bei ganz besonders qualifizierten und engagierten Personen durchaus Ausnahmen geben würde. „Wir besprechen individuell mit jeder Bewerberin und jedem Bewerber die Einsatzmöglichkeiten, damit sich niemand selbst überfordert. Die Unterstützung bei uns soll ja eine gewinnbringende Erfahrung für alle Beteiligten sein“, so Adleff dazu.
Breite Debatte über die Einstellung von Quereinsteigern
Der Landkreis Augsburg ist weder die erste noch die einzige Gebietskörperschaft, die dem zunehmenden Lehrermangel durch ungewöhnliche Ideen entgegenwirken will, denn seit einigen Monaten sind bayernweit immer wieder ähnliche Konzepte im Gespräch: Über die leichtere Einstellung von Quereinsteigern wird ebenso diskutiert wie über neue, duale Ausbildungssysteme oder verpflichtende Praxissemester für Lehramtsstudenten – so wie es etwa Ministerpräsident Markus Söder Anfang des Jahres auf der CSU-Klausurtagung in Bad Staffelstein gefordert hatte. Was Schulamtsdirektor Thomas Adleff davon hält? „Ich glaube durchaus, dass ein Praxissemester deutlich intensivere und authentischere Einblicke in den Unterrichtsbetrieb an Schulen ermöglicht als Praktika. Aber auch hier gilt das, was ich vorher bei den befristeten Aushilfslehrkräften ausgeführt habe: Voll ausgebildete Lehrkräfte wären dadurch nicht zu ersetzen.“
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