Das Kind wird nicht zerteilt
Auch das salomonische Urteil hat eine Verbindung nach Augsburg, wie ein randvolles Kompendium zeigt
Eine Augsburg-Lektüre, die mehr bereichert als diese 74 Katalog-Seiten mit 171 einzelnen Titeln, ist schwer vorstellbar. Was der Antiquar Wolfgang Wanzke (Gessertshausen) jahrelang an Druckwerken zusammengetragen und quellenkundig erfasst hat, stellt ein kleines Augustana-Kompendium dar. Preislich spannt sich der Bogen von 45 Euro für ein 1774 (ein Jahr nach Aufhebung des Jesuitenordens) gedrucktes Rechtsgutachten zum Augsburger Jesuitenkolleg und 60 Euro für einen der 29 Reiter-Stiche von (mehrheitlich) J. E. Ridinger – bis zu 2900 Euro für die 1732 veröffentlichte Erstausgabe von Salomon Kleiners Ansichten des Augsburger Rathauses („gröseste Zierde“) und 3500 Euro für die 1595 erschienene erste deutsche Edition der Augsburg-Chronik von Marcus Welser und Achilles Pirmin Gasser. Die letzte Ausgabe der 1593 initiierten Fuggerschen Porträtsammlung („Imagines“) kam 1754 heraus und ist für 950 Euro im Angebot.
Fast zweieinhalb Jahrhunderte trennen die Gefangenschaft des Reichsritters Götz von Berlichingen im Augsburger Kreuz-Turm (1528/30) und die Gefangenschaft der jungen Augsburger Brüder und Kupferstecher A. M. und J. G. Wolfgang in algerischer Sklaverei. Erstere behandelt der 1837 in Augsburg verlegte Sonderdruck eines Vortrags von Prof. J. C. Mezger (90 ¤). Letztere beinhaltet eine 1769er Buchausgabe mit einem von A. M. Wolfgang in Algier geschaffenen Selbstporträt (690 ¤). Hochaktuelles ist aus diesem Antiquariat zu schöpfen: Zum einen für das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation der zweite Teil der Werke des Johannes Eck gegen Luther, 1531 in Augsburg erschienen (1800 ¤), oder die Kupferstich-Sammlung zum Augsburger Reformationsjubiläum 1717 (1100 ¤); zum anderen für die Augsburger Wasserwirtschaft-Bewerbung um das UNESCO-Welterbe zwei Publikationen des F. J. Kollmann, der als Augsburger Stadtbaurat auch für den Wasserbau zuständig war. Seine Abhandlung über das schon 1346 erwähnte Lech-Wehr (Hochablass) erschien 1839 (450 ¤), sein Standardwerk „Die Wasserwerke von Augsburg“ im Jahr 1850 (350 ¤). Von bleibender Aktualität sind hetzerische Verirrungen wie die „Ausführliche Beschreibung der Marter“, mit denen Juden „aus angebohrnem Haß gegen Christum“ den Tiroler Buben Anderl von Rinn ermordet haben sollen. Mit zwei Dutzend Kupfern illustriert, kam die von Ignatius Zach verfasste Schauergeschichte 1724 in Augsburg heraus (1100 ¤). Entsetzen birgt auch die biblische Szene, in der ein Scherge König Salomos sich anschickt, ein Kind, das zwei Frauen jeweils als ihr eigenes für sich beanspruchen, mit dem Schwert zu zerteilen. (Worauf die wahre Mutter ihren Anspruch aufgibt.) Fünf gestaffelte Kupferstich-Kulissen bilden für „Salomon’s Gerichtssaal“ (um 1750) eines jener Perspektivtheater, für die der Augsburger Martin Engelbrecht ein kaiserliches Privileg besaß (1900 ¤). Engelbrecht hat die antike Salomo-Szene optisch ins späte Barock versetzt. Zeit steht nicht still, Zeit lässt sich nicht aufhalten. Das müssen auch jene Reiter erkennen, die (vergeblich) mit der München-Augsburger Eisenbahn mithalten wollen, als diese 1839/40 erstmals über die Schienen dampft. G. W. Kraus hat das seinerzeit in einer kolorierten Lithografie dargestellt, deren jetzt offerierter Nachdruck um 1912 entstanden sein dürfte (380 ¤).
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