15-jähriger Sohn schwärzt Freund der Mutter bei der Polizei an
Ein 15-Jähriger sagt, er sei gewürgt worden, nur weil er Zimmer Musik hörte. Doch vor Gericht bleibt von den Vorwürfen nichts übrig. Der Hintergrund ist tragisch.
Der Notruf geht an einem Abend im Februar vorigen Jahres bei der Polizei ein. Es ist gegen 22 Uhr. Ein Junge teilt mit, er sei von einem Freund seiner Mutter misshandelt worden. Eine Streife fährt zu der von dem Jungen angegebenen Adresse, die Beamten nehmen den Fall auf. Über ein Jahr später steht der beschuldigte Mann vor dem Amtsgericht. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Er soll in der Wohnung seiner Freundin deren 15-jährigen Sohn und einen zwei Jahre älteren Freund gewürgt haben. Nur weil ihm die Musik zu laut war, welche die Jugendlichen an diesem Abend hörten.
Doch hat sich das Geschehen auch wirklich so abgespielt? Der Angeklagte, ein 29-jähriger Facharbeiter, bestreitet die Vorwürfe. Er habe zu der Zeit die Frau, eine Arbeitskollegin, unterstützt. Ihr Mann sei im Sterben gelegen, der Sohn habe das schwer verkraftet. „Sie hat mich gebeten, ihr zu helfen“, sagt der 29-Jährige vor Gericht aus. Er erzählt: „Die zwei Jungs waren bei sich im Zimmer, haben Alkohol getrunken und laut Musik gehört.“ Die Mutter habe die beiden Jugendlichen mehrfach ermahnt. Als das nichts geholfen habe, sei er in das Zimmer gegangen. Die Frau hätte Ruhe gebraucht, weil sie am nächsten Tag zur Frühschicht musste.
Warum folgte er dem Jungen?
Die beiden Jungen sagten hinterher den Polizisten, der Mann sei ins Zimmer gestürmt, habe sie beide mit seinen Händen am Hals gepackt und so stark gewürgt, dass sie Atemnot hatten. Der 15-jährige Sohn behauptete zudem, er sei von dem Mann verfolgt worden, als er ins Badezimmer flüchten wollte. Der Angeklagte hält vor Gericht dagegen, er habe beide Jungen nur an den Schultern gehalten. Dem Sohn seiner Kollegin sei er hinterhergegangen, damit dieser sich nicht ins Badezimmer flüchten und dort Tabletten „einwerfen“ könne. Das sei zuvor schon mal passiert.
Als Amtsrichter Ralf Hirmer die Jungen befragt, schildern sie das Geschehen in dem Zimmer weit weniger dramatisch als noch gegenüber der Polizei. Die Aussage findet zu ihrem Schutz hinter verschlossenen Türen statt. Beide räumen aber offensichtlich ein, dass sie nicht gewürgt worden seien. Der Grund für die falschen Behauptungen war offenbar die dramatische Situation zu jener Zeit: Der Vater des 15-jährigen Jungen lag im Sterben. Und der Junge dachte, seine Mutter habe mit dem Arbeitskollegen ein Verhältnis. „Er wollte seine Familie schützen“, lautet die Erklärung des Staatsanwalts, der angesichts der neuen Situation sofort einen Freispruch beantragt. Richter Ralf Hirmer muss darüber nicht mehr lange nachdenken. Er folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Jugendlichen droht Verfahren
Während der Mann nach dem halbstündigen Prozess sichtlich erleichtert den Gerichtssaal verlässt, droht den beiden Jugendlichen nun ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung und Vortäuschens einer Straftat. In solchen Fällen sei das das übliche Vorgehen der Staatsanwaltschaft, bestätigt deren Sprecher Matthias Nickolai. Das bedeutet aber nicht, dass die Jugendlichen nun automatisch bestraft werden. Die Justiz wird die zu der Zeit dramatische Situation in der Familie berücksichtigen müssen. Womöglich wird das Verfahren deshalb auch wieder eingestellt.
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