
Wohnungen auf Obi-Gelände: Stadt beharrt auf Parkplätzen


Der Bauherr wollte weniger Stellplätze bauen als vorgeschrieben. Die Alternativen hätten Carsharing und Leihräder sein können. Die Stadträte fürchten einen Präzedenzfall.
Für die 350 Wohnungen, die auf dem Gelände des Obi-Marktes neben dem Fabrikschloss in der Reichenberger Straße (Textilviertel) geplant sind, wird der Investor Parkplätze gemäß dem städtischen Stellplatzschlüssel bauen müssen. Dies sind momentan 1,1 Parkplätze pro Wohnung. Sie sollen in einer zweistöckigen Tiefgarage entstehen. Der Investor hatte bei der Stadt mit Verweis auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten angefragt, ob eine teilweise Befreiung möglich sei.
Eine Alternative hätte sein können, dass die Stadtwerke dort verstärkt mit Carsharing und Leihrad-Stationen einsteigen. Geplant wären neun Carsharing-Autos und um die 25 Leihräder, die im Bereich des Wohnbauprojekts oder in unmittelbarer Umgebung aufgestellt werden. Ein entsprechendes Konzept hatten die Stadtwerke auf Bitten der Bauverwaltung ausgearbeitet. Das Gutachten des Investors habe man nicht einfach beiseitewischen können, so Baureferent Gerd Merkle (CSU). Klar sei aber auch: „Wenn wir einmal den Deckel öffnen und weniger Stellplätze zulassen, dann lässt sich der Deckel bei künftigen Bauprojekten nicht mehr schließen“, so Merkle.
Obi-Markt im Augsburger Textilviertel: Streit um Parkplätze
Mit dem Stellplatzschlüssel soll sichergestellt werden, dass für Neubauten genug Parkplätze bereitgestellt werden, damit Autos nicht die Straßenränder zuparken. Bisher hat die Stadt bei Bauprojekten auch immer darauf bestanden, dass entsprechend Parkplätze gebaut werden. Ist dies nicht möglich, kann sich der Investor gegen eine Ablöse (in der Innenstadt 13.500 Euro pro Stellplatz) an die Stadt von der Pflicht freikaufen. Die Stadt steckt das Geld in die Parkraumrücklage, um etwa Quartiersgaragen damit zu finanzieren.
Dass der Obi-Investor weniger Stellplätze bauen wollte, ist aus der Historie des Komplexes erklärbar. Früher gehörten das Fabrikschloss und der Obi-Markt demselben Eigentümer. Als im Fabrikschloss immer mehr Ladenflächen entstanden, stieg auch der rechnerische Parkplatzbedarf. Diese Plätze wurden gegenüber der Stadt auf dem benachbarten Obi-Parkplatz nachgewiesen, der mehr Stellplätze hatte als nach städtischer Satzung nötig. Diese Ladenparkplätze fürs Fabrikschloss müssen genauso wie die Stellplätze für die Bewohner der künftigen Wohnungen vom Wohnungs-Investor gebaut werden. Dafür wird er wohl eine zweistöckige Tiefgarage errichten müssen, was kostspielig ist.
Der Bauausschuss des Stadtrates sprach sich klar gegen ein Abweichen von der Stellplatzsatzung aus. Man schaffe einen Präzedenzfall, so die fast einhellige Meinung der Stadträte. Zudem würde ein Verzicht auf Parkplätze zur Folge haben, dass die Autos in den benachbarten Wohnstraßen zu parken versuchen. Einzig Stadträtin Eva Leipprand (Grüne) zeigte sich offen. „Mit mehr Wohnungen haben wir so oder so ein Verkehrsproblem“, sagte sie. Man dürfe die Diskussion nicht auf die Parkplätze verengen, sondern müsse auch sehen, dass ein Neubau auch auf den Zufahrtsstraßen mehr Autoverkehr erzeuge. Insofern seien Alternativen zum Auto durchaus zu überdenken. Nötig sei dann aber ein Anwohnerparken im Textilviertel.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Natürlich ist Carsharing und Leihräder ein zukunftsweisender Ansatz. Auch ist unstrittig das das Konzept „jeder Mensch braucht seinen eigenen Blechhaufen“ ein Dinosaurier ist und sich - hoffentlich - bald erledigt hat.
Allerdings ist es sehr zu begrüßen, das sich die Stadt hier nicht erweichen lässt, ist doch davon auszugehen, dass eine Befreiung von der Stellplatzsatzung (diese ist in Augsburg ohnehin sehr investorenfreundlich) einzig dem Investor nutzt; sprich: Gewinnmaximierung. Eine zweistöckige Tiefgarage erhöht die Gestehungskosten enorm Vorallem wenn mit Grundwasser zu rechnen ist. Damit wird natürlich im Gesamtbudget kein Euro für im Detail anspruchsvolle, und nachhaltige Architektur übrig bleiben und es ist mit dem bekannten Bauträgereinerlei im „Bauhausstil“ (haha) zu rechnen. Schade.
Die Parkplatzsituation im kompletten Proviantbachquartier ist ohnehin schon fatal. In der Proviantbachstraße wird seit Jahren abseits der markierten Parkflächen (verkehrsberuhigter Bereich) geparkt - mal die halbe Straße blockierend, mal quer über den Gehweg. Außerhalb des verkehrsberuhigten Bereichs, insbesondere in Richtung Schlachthof, ist der Straßenrand gegen Abend mit Kleintransportern vollgeparkt. Vor einigen Monaten wurde mal bei der Stadtverwaltung wegen des Zustands angefragt, da gab es dann ein paar Wochen lang vermehrt Kontrollen, aber seit in der parallel verlaufenden Otto-Lindenmeyer-Straße der Belag abgerissen und saniert wird, passiert nichts mehr - dabei haben die dadurch wegfallenden Parkflächen die Situation nochmal massiv verschärft. Aktuell scheint das nur zu funktionieren, weil viele Leute auf dem lehrstehenden Obi-Parkplatz parken.
Sollte der Neubau dann tatsächlich mit weniger Parkflächen genehmigt werden, haben wir hier bald Zustände wie im Innenstadtbereich. Nur dass die Anbindung mit den Öffentlichen im Proviantbachquartier deutlich schlechter ist.
Wirklich schade, dass weiter davon ausgegangen wird, dass jede*r ein Auto braucht und hat. Neue Wohnanlagen benötigen mehr überdachte Abstellplätze für Fahrräder, E-Bikes, Lastenräder und Fahrradanhänger anstatt Parkplätze für Autos. Allerdings verstehe ich nicht, wieso der Investor hier die öffentliche Hand (Stadtwerke) in der Pflicht sah. Wenn, dann müsste doch der Eigentümer der Wohnanlage selbst Carsharing organisieren, er erwirtschaftet ja auch die Profite.
In Japan darf man übrigens nur dann ein Auto besitzen, wenn man auch einen Parkplatz dafür nachweisen kann. Wäre das ein Modell für Augsburg?
Man dachte halt, dass man die Parkplätze im benachbarten Real-Markt "mitbenutzen" könnte, daher der Vorschlag mit dem Car-Sharing und Leihfahrräder. Auch finde ich es fragwürdig, dass man sich von den Stellplätzen "freikaufen" kann. Gerade dies fördert das zuparken der umliegenden Straßen. Da hilft auch kein Anwohnerparken. Einzig der Stadtsäckel wird dadurch gefüllt. Entweder man erfüllt die Pflicht der Stellplätze oder die Wohnungen werden nicht genehmigt. Wenn's gar nicht anders ginge, müsste die Ablöse für einen Stellplatz doppelt so teuer sein wie die Kosten einer Errichtung.