Ein Vorschlag in Sachen Kunstmuseum Walter
Welche Zukunft kann die schillernde private Bildersammlung im Glaspalast oder andernorts haben?
Nicht viele Kunstmuseen auf der Welt, seien sie nun eine öffentliche Einrichtung oder von privater Art, sind so eigenwillig, ja eigensinnig wie das Kunstmuseum Walter im Augsburger Textilviertel. Obwohl seit seiner Eröffnung vor knapp neun Jahren manches ab-, um- und frisch gehängt wurde, blieb der sonderliche, radikal subjektive Charakter der Privatsammlung mit kolossal großem Herzen für jegliche Malerei prinzipiell erhalten.
Und so treffen mit allerlei Schattierungen zusammen: lokale auf internationale Produzenten, weithin respektierte Namen auf unbekannte (was allein kein Qualitätskriterium ist), Museumskunst auf Hervorbringungen wie aus Straßenhändler-Hand. Diese Extreme, die den Betrachter beuteln und seit ihrer Präsentation auf zwei hellen Etagen im Glaspalast stets das Besuchergespräch beflügeln, könnten jetzt auch den (Augsburger) Fortbestand der schillernden Kollektion in starkem Maß beeinflussen.
Denn wie berichtet will Ignaz Walter sein Museum 2012 schließen und seine Sammlung gegebenenfalls einer anderen Stadt überlassen – falls ihm künftig in Augsburg die öffentliche Hand bei den Betriebskosten des Museums nicht unterstütze – laut Walter mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr.
Zwei längerfristige Lösungen schweben dem ehemaligen Bauunternehmer vor: a) Freistaat, Stadt Augsburg und er selbst dritteln sich die Betriebskosten für das Museum, oder b) Freistaat und Stadt betreiben das Haus mit von ihm gestellten Leihgaben alleine. Gleichzeitig behauptet Ignaz Walter, der keine Namen nennen will: Mehrere Städte außerhalb von Bayern hätten – ohne dass er aktiv geworben habe – mehr oder weniger starkes Interesse an seiner Sammlung.
Je größer die Qualität, desto größer das Interesse
Auch ohne diese Aussage in Zweifel ziehen zu wollen, liegen zwei Dinge in Sachen „Sammlung Walter“ klar auf der Hand. Erstens: Je stärker die Kollektion konzentriert würde auf ihre qualitätvollen Arbeiten, desto stärker dürfte das Interesse an ihr – in Augsburg oder anderswo – wachsen.
Zweitens: Je stärker sich die öffentliche Hand – in Augsburg oder anderswo – am Betrieb eines Museums Walter beteiligen würde, desto größer würde auch ihr Recht und ihr Wille auf Einflussnahme bei der Werk-Präsentation sein. Angesprochen auf diesen letzten Punkt, erklärt Walter gegenüber unserer Zeitung, dass dies ihm dann, im Falle des Falles, egal sei.
Vielleicht liegt in dieser Aussage der Schlüssel für den professionellen und öffentlich zugänglichen Fortbestand der Kollektion. Denn zweifellos gehören zur Sammlung Walter im Glaspalast etliche Dutzend Werke, deren Augsburger Verbleib – auch im Sinne der städtischen Kunstsammlungen – wünschenswert sein muss. Das betrifft etwa die Papierarbeiten von Künstlern der klassischen Moderne (Macke, Kirchner, Rohlfs, Pechstein), das betrifft auch ausgewählte gute Arbeiten der Nachkriegskunst etwa von Arnulf Rainer, Hermann Nitsch, Lüpertz, Penck, Baselitz, Per Kirkeby. Allein nach den vier vorhandenen Anselm-Kiefer-Gemälden müsste jedes Museum für zeitgenössische Kunst Begierden verspüren.
Andererseits gilt aber auch: Nicht jedes Bild, was der Signatur nach Rang vorgibt, darf Anspruch auf Bewunderung erheben. Wir drücken uns hier keineswegs davor, Ross und Reiter zu nennen. Was im Museum Walter an Beispielen der Kunst Gerhard Richters gezeigt wird, kann nur schwerlich eine Ahnung von den Fähigkeiten und der Größe des Malers vermitteln. Und die vielen, vielen dekorativen, bunten, gefälligen Ölmalereien vor allem im Bereich des Neo-Surrealismus machen es dem vergleichenden Publikum keineswegs leicht, die Kollektion in ihrer Gesamtheit ernst zu nehmen – was ja im Interesse des Besitzers ebenso liegen müsste wie die Vermeidung jeder verunklärenden Antwort auf die eh schon höchst komplizierte Frage: Was ist Kunst?
Zwei Kapazitäten, die Rat geben könnten
Dass im selben Haus, dem Glaspalast, kunsthistorisch abgesegnete Werke hängen (zurzeit italienische Nachkriegskunst in der Staatsgalerie im Erdgeschoss) und zwei Etagen höher – wieder drücken wir uns nicht – beispielsweise die naiven, mystifizierenden, gefühligen „97 Bild-Dokumente“ von Gisela Franz-Osterwald, dies kann ungeübte Betrachter schon verunsichern. Und mit ihm so manchen lokalen Kulturpolitiker, der womöglich in Augsburg oder anderswo guten Willens ist, aber sich auch nicht gleichzeitig Fragwürdiges ans Bein binden möchte. (Die Glaskunst, die im Museum Walter oftmals wie abgestellt wirkt, bleibt noch mal ein eigenes Kapitel.)
Was nun also ist im Sinne Ignaz Walters, der ja ein bekennender Augsburger ist, und im Sinne der Stadt zu tun? Konstruktiv wäre die beiderseitige Bereitschaft, dem Publikum qualitätvolle Kunst im wahren Sinne des Wortes vorzuhalten – bei verbesserter Werbung, Ausschilderung, Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Tragfähiges Konzept könnte sein: deutsche Malerei im 20.Jahrhundert, West und Ost. Jede andere Stadt, nähme sie die Sache ernst, würde mit dem Ziel einer Win-win-Situation genau so handeln. Und Walter, dessen Position durch Sammlungsverschlankung letztlich nur gestärkt würde, könnte sich folgendermaßen trösten: Auch in der Kunst ist das Bessere des Guten Feind. Im Glaspalast könnte in diesem Fall ein Stockwerk reichen; das zweite wäre vermietbar. Und denkbar wäre ja auch die Präsentation im Stadtzentrum, in den umzurüstenden Augusta-Arcaden an der Seite des Naturkundemuseums.
Sollte aber Ignaz Walter, den ja schon mehrfach Vorschläge in Richtung Sammlungskonzentration erreicht haben dürften, misstrauisch bleiben gegenüber jedem ehrlich und gut gemeinten Rat aus seiner Heimatstadt, dann könnte er sich ja auch die Meinung von Kapazitäten einholen, denen er (bei seinem bislang einmaligen Leonardo-Kunstwettbewerb) schon einmal vertraute. Als da wären Friedhelm Hofmann, kunstsinniger Bischof von Würzburg, oder auch Max Hollein, Museumsdirektor in Frankfurt.
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