Schon 40 Prozent Urnengräber
3000 Beerdigungen finden jährlich in Augsburg statt. Und wie sich die Menschen im Leben unterscheiden, unterscheiden sich ihre Wünsche bei der Beerdigung. In Augsburg hat sich in den letzten Jahren viel verändert. So bereitet man auf dem Westfriedhof einen Naturfriedhof vor.
Diese Bestattungsform, bei der Urnen unter Baumwurzeln beigesetzt werden, ist ein deutschlandweiter Trend. Teilweise werden solche Friedhaine in Wäldern ausgewiesen, in Augsburg soll einer auf dem Westfriedhof entstehen. 15 Bäume werden zunächst gepflanzt, an jedem ist für zehn Urnen Platz. Dort kann man sich ab 2009 anonym bestatten oder seinen Namen auf einer Steintafel eingravieren lassen. Die Urnen sind biologisch abbaubar; ein Prozess, der in etwa vier Jahren abläuft.
Erweiterungsflächen für den Friedhain sind eingeplant, denn es gehen bei der Stadt jährlich Dutzende Anfragen ein. "Die Ansprüche an die Gräber und die Bestattungsarten wandeln sich", weiß der zuständige Referent Thomas Schaller.
Das hat in einer Stadt wie Augsburg mit ihren differenzierten Kulturen, Religionen, Lebenshaltungen und nicht zuletzt sozialen Schichten vielerlei Ursachen. Ein Beispiel dafür ist die steigende Zahl anonymer Bestattungen. In Urnengräbern auf einer Wiese lassen sich die Leute aus verschiedenen Gründen beisetzen, so Dietrich Hofmann, Leiter des Bereichs Friedhofswesen: manche aus ihrer Lebenseinstellung heraus, andere, weil sie niemanden mit der Grabpflege belasten wollen.
Immer häufiger tritt der Fall ein, dass es keine Angehörigen gibt bzw. dass diese - zumal nach Streichung des Sterbegeldes durch die Krankenkassen - eine Beerdigung nicht zahlen können. Das kostet mindestens 2500 Euro, die Summe kann leicht aufs Doppelte ansteigen. In vielen Fällen werden die Toten daher von der Stadt in schlichten Reihengräbern beigesetzt.
An einem weiteren Phänomen macht sich der soziale und religiöse Wandel in der Gesellschaft bemerkbar: Die Belegungszeiten sinken. Für mindestens zehn Jahre muss man in Augsburg ein Grab nutzen. Das hängt mit den Verwesungsprozessen in der teils sehr lehmigen Erde zusammen. Während früher Familien von vorneherein oft ein Grab für 25 Jahre "kauften" oder es verlängerten, sieht das jetzt anders aus. Hier macht sich die Mobilität bemerkbar. "Nach zehn Jahren ist es oft schon schwer, die Angehörigen zu finden", sagt Hofmann.
Viele geben das Grab dann wieder auf, so dass die Belegungszahlen sinken. Von 46 000 Gräbern auf den neun kommunalen Friedhöfen sind 6000 frei. Die großen Erweiterungsflächen, die man früher eingeplant hatte, werden mittlerweile anderweitig genutzt. Denn auch eine andere Entwicklung wirkt sich platzsparend aus: In Augsburg gibt es mittlerweile 40 Prozent Urnenbestattungen. Damit liegt die Kommune noch unter dem Schnitt anderer deutscher Großstädte, bei denen das Verhältnis schon halbe-halbe ist.
Schon seit Langem gibt es Urnengräber und Urnenwände auf Augsburger Friedhöfen. Als besonders schönes Beispiel aus den letzten Jahren gilt die Anlage auf dem Protestantischen Friedhof. Auch auf kommunalen Friedhöfen tut sich hier einiges. So sollen noch dieses Jahr in Inningen und Göggingen Urnenstelen fertig werden.
All diese Entwicklungen haben auch Auswirkungen, die Schaller Sorgen bereiten: Es fließt weniger Geld in die Kassen, sodass zwischen Einkünften und Unterhaltskosten eine immer größere Lücke klafft. Sechs Millionen Euro wendet die Stadt jährlich für die Pflege ihrer neun Friedhöfe auf. Dem Umweltreferenten liegen die Begräbnisstätten am Herzen, sind sie doch rare grüne Oasen in der Großstadt. Untersuchungen belegen die große Tier- und Pflanzenart auf diesen Flächen. Und die Bürger schätzen sie als Orte der Ruhe. Abgesehen davon ist ein Friedhof nicht nur an Allerheiligen von Bedeutung. Dass Menschen Angehörige an besonderen, gestalteten Orten zur letzten Ruhe betten, ist laut Schaller ein 50 000 Jahre altes Phänomen. "Trauer braucht einen Ort."
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