Zuwanderer zieht es in den Stadtrat
In den 90er Jahren wurde eine Frau mit Migrationshintergrund in den Augsburger Stadtrat gewählt (Margherita Ramani-Ruile), vor sechs Jahren waren es vier Personen (Ines Bertozzi, SPD, Cemal Bozoglu, Grüne, Dr. Dimitrios Tsantilas, CSU, und Nico Kanelakis, SPD). Demnach, so spekuliert Klaus Hopp von der Europa-Union halb spaßhaft, halb hoffnungsfroh, könnten es am 2. März ja 16 sein...
Einen derart hohen Anteil an den 60 Stadtratssitzen erwartet keiner ernsthaft. Dabei müsste die Zahl bei 20 liegen, würde man die Bevölkerungsanteile umrechnen. Immerhin liegt Augsburg auch so über dem Bundesschnitt. Und auf sechs bis sieben, so die Meinung von Insidern, könnte die Zahl realistisch gesehen steigen. Denn auf den Listen aller Parteien finden sich Migranten, weit mehr als bei der letzten Wahl und teilweise auf aussichtsreichen Plätzen, wie Ausländerbeirat Nazim Kücük lobt. Mit Peter Grab (Pro Augsburg) und Alexander Isik (FBU) stellen sie sogar zwei der acht OB-Kandidaten.
Grab (deutsch-tschechisch) und Isik (Assyrer aus der Türkei) saßen mit Bertozzi (italienischer Vater, Mutter in Holland aufgewachsen), Bozoglu (Türke), Tsantilas (Grieche) und den Kandidaten Nicola Murano (Italiener, FDP) und Nazmi Özal (Türke, Freie Wähler) am Tisch einer Podiumsveranstaltung von Ausländerbeirat und Europa-Union, die die Bandbreite an Kandidaten zeigte, aber auch, wie weit die Ansichten von Migranten über ihnen "ureigene" Themen wie Interkulturalität, kultursensible Altenpflege und Bildung auseinanderklaffen.
Während Özal findet, es sei Aufgabe der Eltern, Kindern Deutsch beizubringen, fordert Bertozzi gezielte Hilfe, um "den Teufelskreis zu durchbrechen". Grab möchte Schulklassen besser durchmixen, Murano findet, Firmen sollten bei Bewerbungen von jungen Migranten "auch mal ein Auge zudrücken".
Eigene Partei geht nicht ins Rennen
In der Augsburger Politik herrscht parteiübergreifender Konsens zur Integration. Das beweist die Diskussion über das Weißbuch zu Integrationsfragen im vergangenen Jahr. Und: Auf allen Listen finden sich jetzt Migranten, worauf der Ausländerbeirat gedrängt hatte. Eine anfangs von Prof. Franz Schaffer propagierte Migranten-Liste wurde so überflüssig. Teilweise hatten es gerade Seiteneinsteiger ohne Hausmacht allerdings schwer, sich im Parteienproporz gute Plätze zu erkämpfen.
Auch ist die ethnische Herkunft nur ein Faktor, über den jemand sich definiert. "Bei manchen merkt man doch nur noch am Namen, dass sie Migrationshintergrund haben", sagt Matthias Garte von der Fachstelle Integration des OB-Referats. Wichtig sei, dass der Stadtrat die Gesellschaft widerspiegele und alle sich vertreten fühlen. Außerdem geht es um zigtausende Wählerstimmen. Allein 30 000 Aussiedler (inklusive Kinder allerdings) gibt es in der Stadt, tausende Türken haben den deutschen Pass und 10 000 EU-Bürger dürfen bei Kommunalwahlen ihr Kreuzchen machen. Insgesamt gelten diese Gruppen zwar als eher wahlfaul, aber: "Dass Menschen aus dem Herkunftsland auf den Listen sind, ist sicher eine Motivation, zur Wahl zu gehen", so der städtische Integrationsbeauftragte Robert Vogl. Allerdings gehe die Rechnung nicht auf, dass Migranten Migranten wählen, schränkt Garte ein. "Da unterschätzt man die Heterogenität der Gruppe."
So mancher, der zum Beispiel durch sein Engagement für "seine" Leute bekannt ist und einen einigermaßen guten Platz hat, könnte es aber schaffen, wird spekuliert. Dazu zählen etwa Juri Heiser (Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, CSU) und Natallia Jordan (Smena-Projekt).
Allerdings haben Zuwanderer auch andere Möglichkeiten, sich eine Stimme zu verschaffen. So gibt es den Ausländerbeirat, der in der nächsten Wahlperiode unter neuem Namen und noch festzulegendem Konzept arbeiten soll. Auch ein regelrechter Integrationsausschuss des Stadtrates, der neben beratender auch beschließende Funktion hat, ist im Gespräch.
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