
Aufstrebender afghanischer Künstler hat große Träume

Mohammad Zia Mohammadi lebt in Augsburg und zeichnet seit seiner Kindheit. Seine Bilder helfen dem jungen Afghanen, Erlebtes zu verarbeiten - und er hat einen großen Traum.
Der alte Mann, wohl über Hundert, blickt seinen Betrachter mit großen Augen an. Er trägt einen langen grauen Bart und einen Turban, doch sein Blick dominiert die Zeichnung. Gemacht hat sie Mohammad Zia Mohammadi, 25. Der Mann auf dem Bild, mehr als viermal so alt wie Mohammadi selbst, hat den Künstler tief beeindruckt. Und er erinnert ihn an seine alte Heimat. Vor gut zehn Jahren flüchtete Mohammadi alleine vor dem Krieg aus Afghanistan, kam über den Iran nach Deutschland und lebt jetzt in Augsburg. Hier versucht er, sich mit seiner Kunst ein neues Leben aufzubauen und gleichzeitig die Schrecken des alten zu verarbeiten.
Mohammadi ist keiner, der viele Worte über sich verliert. Das Sprechen nehmen ihm seine Bilder ab. Die Liebe zum Zeichnen beginnt früh: Mit sechs malt er ein Bild von einem Haus. Seine Mutter ist so begeistert davon, dass sie ihrem Sohn einen Zeichenkurs ermöglicht. Seitdem sind Papier und Stifte seine ständigen Begleiter. Dabei ist seine Jugend alles andere als unbeschwert. Im Alter von sieben Jahren verliert er seinen Vater, Mohammadi muss auf einer Baustelle arbeiten, um seine Familie zu versorgen. Harte körperliche Arbeit prägt seine gesamte Kindheit, um seiner Schwester Bildung und ein Studium zu finanzieren. "Für meine Familie habe ich alles gegeben", erzählt er.
Augsburg: Afghanischer Künstler malt christliche Motive
Dennoch flüchtet er mit 14 in den Iran, zwei Jahre später kommt er in Deutschland an. In seinen Bildern spiegeln sich Schicksale, die ihm auf seinem bisherigen Lebensweg begegnet sind. Für ihn ist es wichtig, nicht nur eigene Erlebnisse auf Papier zu bringen, sondern für alle Menschen ein Sprachrohr zu sein. Seine Anfangszeit in Deutschland, sagt Mohammadi, sei schwierig gewesen. Zuflucht hat er im Christentum gefunden, er hat sich hat taufen lassen. Ein Bild auf seinem Instagram-Account zia.create zeigt Jesus mit der Dornenkrone, darunter hat der junge Künstler nur einen Satz geschrieben: "My Jesus Christ" - mein Jesus Christus. Doch auch das Zeichnen gibt ihm Halt: "Immer wenn ich gestresst bin oder mich alleine fühle, nehme ich einen Stift in die Hand und es gibt nur noch mich und die Kunst." Seit zehn Jahren male er nun professionell, über 400 Bilder sind seitdem entstanden. Einige hat Mohammadi verkauft oder verschenkt. Die meisten aber hat er behalten - auch, da er die ersten Jahre in Deutschland keine Arbeitserlaubnis hatte.

Sein Lieblingsbild zeigt zwei Frauen, eine weiß, eine schwarz. Ihre Gesichter und Körper überlagern sich und werden so zu einem Kunstwerk. Die Deutung obliegt dem Betrachter. Das gefällt Mohammadi an der Kunst. "Es hat viele Tage gedauert und es war anstrengend, meine Vision umzusetzen", erklärt er. Am häufigsten zeichnet er mit Bleistift oder Kugelschreiber, wenn es ein besonderes Motiv ist, auch gerne mit Farbe. Jedes seiner Bilder fertigt er mit Liebe zum Detail. Deshalb dauert es oft sechs bis 14 Tage, bis ein neues Werk fertig ist. Zwei bis vier Stunden pro Tag arbeitet der 25-Jährige an seinen Bildern, die Arbeit, sagt er, beruhigt ihn, die absolute Konzentration und der Fortschritt treiben ihn an.
Auf Social Media erreicht er viele Menschen, die von seiner Kunst begeistert sind
Wenn es um seine Kunst geht, lautet sein Motto "See and Do" - sehe und handle. Wenn ihm etwas einfällt oder er etwas sieht, bringt er es zu Papier. Fortschritt und Weiterentwicklung stehen an oberster Stelle. Seine Motive sind vielseitig: Ein abgezeichnetes Foto, ein Gedanke oder ein Gefühl, das er auf Papier festhalten möchte. Eine Bedeutung haben die Bilder immer. Wenn es nicht seine ist, dann die eines anderen Menschen. "Ich möchte alle mit meiner Kunst erreichen, nicht nur die, die mein Schicksal teilen." Manchmal zeigen die Bilder ein Moment aus dem Weltgeschehen, manchmal geben sie aber auch den Blick frei auf das Leben Mohammadis - so wie das Porträt eines Kindes, das schwere körperliche Arbeit verrichten muss.
Nochmal zurück zu dem alten Mann auf dem Schwarz-Weiß-Bild. Er erinnert Mohammadi an zu Hause. "Er war der älteste Mann aus Afghanistan. Ob er noch lebt, weiß ich nicht. Aber er inspiriert mich." Nach vorne blicken, an sich glauben, sich durchkämpfen, das sind die Kernaussagen von Mohammadis Kunst. Das scheint vielen zuzusagen. Auf der Online-Plattform TikTok haben über drei Millionen Menschen seine Videos geklickt, auf Instagram hat er über 20.000 Follower und viel positive Resonanz. "Es macht mich glücklich zu sehen, dass sich Menschen über meine Kunst freuen." Mohammadis Traum ist es, eine eigene Ausstellung zu bestreiten - und mit der Kunst seinen Lebensunterhalt verdienen zu können.
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