Mit dem Röntgenblick für die Emotion
Auf ihren grafischen Arbeiten hat die Künstlerin Ines Roller die Körpersprache des Menschen untersucht. Zu sehen jetzt in der Arthotek der Gesellschaft für Gegenwartskunst.
Oft sagt der Körper sehr viel mehr als all die Worte, die gesprochen werden. Manchmal widerspricht der Körper sogar dem Gesagten. Auf jeden Fall können Körper sehr gut Stimmungen und auch Haltungen transportieren. Wir sehen sie und ahnen, was im Gegenüber gerade stattfindet. Die Künstlerin Ines Roller hat hingeschaut für ihre Körperstudien, die sie in Pandemiezeiten begonnen und nun fortgesetzt hat. „Körpersprache“ heißt ihre Ausstellung, die zurzeit in der Arthotek der Gesellschaft für Gegenwartskunst zu sehen ist.
In existenzieller Zeit, als die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns den Alltag und den Alltagstrott jäh unterbrochen hat, schaute die Künstlerin existenziell auf den Menschen. Entstanden sind Zeichnungen, an einigen Stellen mit wenig Farbe unterlegt. Roller reduziert ihre Figuren auf das Wesentliche. Es geht da nicht um Einzelne, um bestimmte Menschen. Dann sitzt da zum Beispiel eine Frau auf einem Stuhl, richtet sich das Haar und betrachtet sich im Spiegel. Mehr nicht. Roller hat den Hintergrund offen gelassen. Es braucht da auch nicht mehr. Der Hintergrund für diese Arbeiten ist der Betrachter oder die Betrachterin, es sind wir Menschen. Es geht um uns, ums Menschliche und Allzumenschliche.
Einen ganzen Reigen an Emotionen schreitet Ines Roller ab
Als Titel gibt Roller dieser Frau „Selbstverliebtheit“ mit auf den Weg. Und natürlich ist das auch zu erkennen. Aber bei Roller und auf dieser Arbeit schaut das nicht eitel und nicht narzisstisch aus. Eher wie das nötige Maß an Selbstverliebtheit, das jedem Menschen guttut. Einen ganzen Reigen schreitet die Künstlerin auf den Arbeiten ab, von Zuneigung und Zuversicht über Dominanz bis zur Trauer und Entspannung. Ausdrucksstark und voller Spannung auch die Arbeiten, die auf das Dazwischen abzielen, dann, wenn zwei Figuren auf einem Blatt zu finden und mehr oder weniger stark aufeinander bezogen sind.
Die etwas größeren Arbeiten sind auf Leinwand entstanden. Dann präsentiert Ines Roller noch drei Objektkästen, in denen drei oder vier Zeichnungen auf Karton zusammengefasst sind. Dort werden Themen variiert, etwa „Mut“, „Demut“ und „Übermut“ oder „Vertrauen“, „Hilflosigkeit“, „Angst“. Stark dort zum Beispiel zu sehen, wie einen das förmlich auf den Bildern anspringt. Dort neigen sich zwei Menschen einander zu, sind sich gewogen, geben sich Halt, wirken wie ein Team, eine Einheit. Auf den anderen beiden Blättern sind die Figuren allein, schutzlos, ohne Unterstützung, irgendwie auch verloren. Konsequent, wie Roller das durchdekliniert.
Eine Gelegenheit, die Arthotek zu besuchen
Die Ausstellung ist eine Fortsetzung. Zuvor hat die Gesellschaft für Gegenwartskunst großformatige Arbeiten von Ines Roller im Kongress am Park präsentiert. Aber Roller kann nicht nur groß, sie findet auch auf ihren grafischen Arbeiten und begrenztem Raum zu starkem Ausdruck. Und: Das Dargestellte wird so über die Größe nicht weiter aufgeladen. Es steht dort erst einmal unscheinbar im Raum. Man muss näherkommen, muss hinschauen, erst dann offenbart sich, was es mit der Körpersprache auf sich hat.
Die Ausstellung von Ines Roller bietet Kunstinteressierten auch eine Gelegenheit, die Arthotek in Augenschein zu nehmen. Denn die Gesellschaft für Gegenwartskunst bietet mit ihr einen besonderen Service, einen Leihservice für Kunst gegen kleine Gebühr, zum Teil von Künstlern mit großem Namen. Verfügbar sind 130 Bilder, die regelmäßig ausgetauscht werden. Der Ausleihservice der Arthotek ist einmal im Monat besetzt, die nächsten Termine dort sind 7. März, 4. April und 2. Mai jeweils von 15 bis 17 Uhr.
Zu sehen bis zum 26. März in der Arthotek der Gesellschaft für Gegenwartskunst, zu erreichen über das H2-Zentrum für Gegenwartskunst. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Es gilt der reguläre Eintrittspreis für das Museum, es sei denn, eine Besucherin oder ein Besucher möchte nur die Sonderausstellung der Arthotek sehen, dann gilt der ermäßigte Eintrittspreis. Alle Termine und Infos über die Artothek und die Künstler auf www.artothek-augsburg.de.
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