Augsburger Allgemeine
Stefan Dosch
Kultur und Journal
Stefan Dosch ist gebürtiger Augsburger. Nach dem Studium der Literatur- und Theaterwissenschaften in München absolvierte er ein Volontariat bei der Augsburger Allgemeinen. Danach war er fast zwei Jahrzehnte lang Redakteur mit Schwerpunkt Kultur bei der Allgäuer Zeitung in Kaufbeuren.
Seit 2008 ist er Mitglied des Feuilletons der Augsburger Allgemeinen. Kultur und die Künste interessieren ihn in allen ihren Erscheinungsformen – ganz besonders aber hat er ein Faible für klassische Musik und die Literatur vergangener Epochen.
Artikel von Stefan Dosch
In weiter Ferne, aber auch ganz nah
"Ferne Klänge": Über diesen ersten Teil des Mottos zum jüngsten Philharmoniker-Sinfoniekonzert - vom zweiten Teil wird noch zu reden sein - konnte man durchaus ins Sinnieren geraten. Etwa dahingehend, dass chronologische Ferne und gefühlte Ferne nicht unbedingt identisch sein müssen: Beethoven, in der zweiten Konzerthälfte gegeben, wurde vom Publikum warm applaudiert; Franz Schreker und Alban Berg, deren Musik mehr als ein Jahrhundert jünger ist als diejenige Beethovens und von den Philharmonikern unter Friedemann Layer keineswegs weniger fesselnd vorgetragen wurde - diese Musik der Moderne, das war der Reaktion der Zuhörerschaft zu entnehmen, steht in ihrer Akzeptanz doch in merklich weiterer Ferne als diejenige der Wiener Klassik.
Ein Kuss? Nicht nur einen!
Es musste erst ein Filmemacher aus dem Norden kommen, um in die Tat umzusetzen, was eigentlich so nahelag: diejenigen, welche Bertolt Brecht in seinen jungen Jahren in Augsburg nahegestanden hatten und die in den 1970er Jahren ja vielfach noch am Leben waren, sie allesamt vor die Filmkamera zu bitten und erzählen zu lassen, wie es war mit dem aufstrebenden Dichter. Heinrich Breloer war 1976 in einem Augsburger Hotel abgestiegen, hatte müßig im Telefonbuch geblättert und gesehen: Tatsächlich, da standen noch viele der Namen aus Brechts frühem Kreis. So kam es vor über 30 Jahren zur Filmdokumentation "Bi und Bidi in Augsburg", die der Regisseur, inzwischen vielfach ausgezeichneter Dokudrama-Spezialist, nun selbst beim Brecht-Festival im Thalia-Kino vorstellte. Ein "bescheidener Erzählfilm", wie Breloer zu untertreiben meinte; enthält die Doku doch nichts weniger als Perlen der Brecht-Memoria.
Ein Kuss? Nicht nur einen!
Es musste erst ein Filmemacher aus dem Norden kommen, um in die Tat umzusetzen, was eigentlich so nahelag: diejenigen, welche Bertolt Brecht in seinen jungen Jahren in Augsburg nahegestanden hatten und die in den 1970er Jahren ja vielfach noch am Leben waren, sie allesamt vor die Filmkamera zu bitten und erzählen zu lassen, wie es war mit dem aufstrebenden Dichter. Heinrich Breloer war 1976 in einem Augsburger Hotel abgestiegen, hatte müßig im Telefonbuch geblättert und gesehen: Tatsächlich, da standen noch viele der Namen aus Brechts frühem Kreis. So kam es vor über 30 Jahren zur Filmdokumentation "Bi und Bidi in Augsburg", die der Regisseur, inzwischen vielfach ausgezeichneter Dokudrama-Spezialist, nun selbst beim Brecht-Festival im Thalia-Kino vorstellte. Ein "bescheidener Erzählfilm", wie Breloer zu untertreiben meinte; enthält die Doku doch nichts weniger als Perlen der Brecht-Memoria.
Kompromisslos rein ins Geschehen
Acht Sinfoniekonzerte bestreitet das Philharmonische Orchester Augsburg in der laufenden Saison, und wenn man die Sonderkonzerte dazunimmt, sind es gar noch zwei mehr. In diesen zehn Programmen ist heuer Platz für genau ein großes, eine Konzerthalbzeit tragendes Werk der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der "Zweiten Moderne", um Ulrich Becks Begriff für die doch sehr eigenständigen Dimensionen der Musik seit den 1950er Jahren zu entlehnen. Ein umfangreiches, cum grano salis zeitgenössisches Stück - das ist gar kein schlechter Schnitt für ein kommunales Orchester in Zeiten, in denen die jüngere komponierte Musik einen lausigen Stand im Konzertsaal hat. Umso mehr freute man sich, Witold Lutoslawskis Konzert für Orchester als Top-Programmpunkt des vierten Sinfoniekonzerts zu finden.
Geboren am 24. Dezember
In der Besonderheit des Geburtsdatums mag man schon das Außergewöhnliche dieses Lebenswegs erkennen. An Heiligabend des Jahres 1709 kommt Johann Holzer im kleinen Ort Burgeis in Südtirol zur Welt. Bereits wenige Jahrzehnte später steht er im Ruf, einer der hervorragendsten Maler der Zeit zu sein. Doch Johann Holzer, der später den Beinamen Evangelist erhält und die meiste Zeit seines Lebens in Augsburg verbringt, ist lediglich ein knappes Dutzend an Schaffensjahren vergönnt.
Mitten im Stück in die Pause
Angesichts des Vordringens der Türken saß Europa im 17. Jahrhundert der Schreck in den Gliedern. Die Musik osmanischer Militärkapellen, die die Eroberungszüge begleitete, die sogenannte Janitscharenmusik, schallte der Bevölkerung von Wien und anderswo auch nach dem Abdrängen der Gefahr noch lange in den Ohren. Doch was einst Schrecken verbreitete, wandelte sich im Laufe der Zeit zur Faszination, und so fanden Janitscharenklänge Eingang in die europäische Musik. An diese musikalische Befruchtung zwischen Orient und Okzident zu erinnern - wie es das Philharmonische Orchester Augsburg jetzt im Konzert tat -, das ist in Zeiten neuen Unbehagens vor dem Halbmond ein verdienstvolles Ansinnen.
Tanz mit dem Orchester
1911 erlebte "Der Rosenkavalier" von Richard Strauss seine Uraufführung, jene Oper, in welcher der Komponist, bei aller Finesse der Klangsprache, im Einsatz der musikalischen Mittel wieder einen Gang zurückschaltete. Ein gutes halbes Jahr zuvor hatte Igor Strawinsky seinen "Feuervogel" aus der Taufe gehoben, ein Werk, das trotz mancher Bezugslinien zur Romantik den Weg voraus wies zum wenig später vorliegenden epochal-avantgardistischen "Sacre du printemps". Eine interessante Koppelung, diese beiden Werke nebeneinander zu erleben, selbst in Gestalt zweier jeweils aus ihnen kondensierter Suiten.
Tief im Raum die Stimme des Wals
Eine Zumutung war die Musik eines gewissen George Crumb in den Sechziger-, Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts für den Mainstream der Neuen Musik, für Komponisten wie Hörer. Zu jener Zeit galt als das Maß aller Dinge die serielle, streng mathematisch geregelte Musik, Musik fürs Hirn, nicht fürs Gefühl. Und da kam dieser Amerikaner aus den Appalachen und schrieb Stücke wie "Vox Balaenae", von denen er, Crumb, sich nicht zu sagen genierte, dass sie inspiriert sein von der Natur, von etwas für die Musik Verpöntem also.
Zukünftig mehr von den Zeitgenossen
Auch in Augsburg ist das Abonnementkonzert sicher nicht der angestammte Heimatort für Neue Musik, auch wenn hie und da ein "Alibistück" (Augsburgs neuer GMD Dirk Kaftan) sich in die Programme verirrt. Zu groß ist die Veranstaltersorge, die Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts würde vom Publikum als Zumutung empfunden. Entsprechend selten begegnet man in Augsburg dieser Musik - was sich nun jedoch ändern soll. Eine neue Reihe mit Namen "Zukunft(s)musik" widmet sich diesem Segment, fürs Erste neun Konzerte im Laufe der Spielzeit 2009/10.
Die private Seite der Macht
Vor zehn Jahren hat er schon einmal am Theater Augsburg inszeniert. Puccinis "Bohème" war im Herbst 1999 die zweite Opernpremiere des damals neu angetretenen Intendanten Ulrich Peters. Ludger Engels kann sich gut an die Aufführung erinnern: Das Publikum sparte für den modern in Szene gesetzten Puccini nicht mit Buhs. Im Gedächtnis geblieben ist Engels aber auch jene Frau von allemal 80 Jahren, die ihm beim Publikumsgespräch das Kompliment machte, sie sei nun, inspiriert durch seine "Bohème"-Inszenierung, in der Lage, auf poetische Weise über den Tod nachzudenken.